Die europäischen Politiker haben den Ernst der Lage begriffen. Trump wird einen Angriff Putins auf Staaten der EU nicht verteidigen. Ob dies auch für Atomwaffen zutrifft, ist völlig ungeklärt und wurde noch nie von Trump ausgesprochen. So nehmen die meisten Wehrexperten an, dass der atomare Schutzschirm der Nato und darin der USA noch besteht. Aber sicher ist bei Trump nichts. Er könnte wie bei Selenskij den Europäern die Schuld am Krieg mit Putin zuschieben und sich wie in der Ukraine völlig zurückziehen. Auf jeden Fall muss die EU und ganz Europa sich auf einen konventionellen Krieg gegen die russische Armee einstellen. Dabei gibt es zwei Dimensionen: erstens die echte Verteidigungsfähigkeit aus eigenen Mitteln und zweitens die viel Wichtigere: die Abschreckung Putins, dass es für Putin keinen Sinn gibt, die EU anzugreifen. Die EU müsste in militärischer Stärke Russland haushoch überlegen sein und genügend eigenen Nachschub produzieren können. Nur so ließe sich der Frieden bewahren, werden keine Raketen auf Europas Städte abgefeuert.
Natürlich geht all dem ein Schaulaufen in den Parlamenten und auf Konferenzen voraus. Die 500 Milliarden Euros des nun geplanten neuen Sondervermögens Deutschlands schrecken sicherlich ab. So viel kann Putin nicht in seine Kriegsmaschinerie stecken. Als „Bazooka“ wurde eine amerikanische Panzerfaust getauft. Sie wäre aber nur Stufe 1, also eine Abwehr gegen Panzer. Es bräuchte Mittelstreckenraketen, wie sie die Biden-Regierung in Deutschland stationieren wollte, aber unter Trump nicht kommen werden. Und der Mechanismus müsste bestehen, dass Raketen Russlands auf europäische Städte den Einsatz von Atombomben auslösen, also die Selbstzerstörung aller. Das wird Trump nicht mittragen. Erst wenn ein atomarer Angriff der USA einträte, würde Trump den roten Knopf drücken.
Trump ließ durchblicken, dass er zurückschlagen würde, wenn US-Soldaten angegriffen würden. Er erweiterte dies auf viele US-Bürger in der Ukraine, wenn sie die Bodenschätze dort plündern. In Deutschland halten die USA die größte Militärbasis außerhalb ihres eigenen Landes: Ramstein. Von dort werden z.B. Drohnen für Feinde im Nahen Osten gesteuert, abgefeuert und bestückt von US-Schiffen vor Ort. Es ist unwahrscheinlich, dass Trump Ramstein räumen wird. Die Abschreckungslage ist also durchwachsen. Der Vorstoß Macrons, einen europäischen Atomschirm aufzubauen, hat auch abschreckende Wirkung, weshalb er sofort von Russland als lächerlich erklärt wurde. Experten schätzen den Aufwand dafür weit über eine Billion Euro. Die 650 Milliarden der EU würden also verdoppelt werden müssen.
Beim 500-Milliarden-Sondervermögen Deutschlands handelt es sich nur um direkte Verteidigung, also Stufe 1. Eine abschreckende Wirkung geht nur sehr begrenzt aus: Es ist auf 10 Jahre ausgelegt, soll auch die Infrastruktur reparieren und 100 Milliarden von den Ländern ausgegeben werden, also sicher nicht für die Aufrüstung. Womöglich fordern die Grünen für den Klimaschutz 50–100 Milliarden, was ja auch sinnvoll ist. Der Klimawandel übertrifft in seiner Gefährlichkeit konventionelle Kriege um ein Vielfaches. Andererseits können die Mittel aus Deutschland ihn nicht verkleinern. Ob dafür Schulden angemessen sind? Wenn die Mittel in europäische Unternehmen gehen, werden sie sich aus Steuern in gewissem Umfang refinanzieren. Darauf setzt Frau von der Leyen, zumindest bei den europäischen Krediten in Höhe von 150 Mrd. Euro, die ja zurückbezahlt werden müssen. Auf jeden Fall handelt es sich um ein riesiges Konjunkturprogramm. Im nächsten Jahr wird das BIP der EU um mindestens 3 % zunehmen. Deutschlands Steuereinnahmen werden 2026 eine Billion Euro überschreiten.
Alle Absichten Merz‘, die Wirtschaft wieder flott zu bekommen, setzen zur Finanzierung Wachstum voraus. Noch wissen wir nicht, wie und wann die 500 Milliarden Sondervermögen, sprich neue Schulden, getilgt werden sollen. Wieviel wird davon in die Ukraine gehen? Auf jeden Fall ist es gut, wenn nicht für jede Ausgabe des Verteidigungswesens im Bundestag gerungen werden muss wie zuletzt die Weigerung Scholz‘ die Ukraine mit 3 Mrd. Euro weiter zu unterstützen. Interessant ist auch, wie die FDP stimmt. Sie verteidigte die Schuldenbremse. Dass noch der alte Bundestag das Sondervermögen genehmigt, ist schlichtweg eine Notwendigkeit wie das Sondervermögen zur Verteidigung Europas an sich. Wer hier verfassungsrechtliche Bedenken anbringt, hat die Bedrohungslage der EU nicht einbezogen. ek
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