Die bayerischen Landwirte sind tief verunsichert. Sie sollen auf Bio-Techniken umstellen, erhalten aber nicht die dazu nötigen Informationen/Schulungen. Es ist nicht getan, wenn die neuen Leitbilder und die Grundphilosophie des biologischen Anbaus verkündet werden. Der Landwirt muss für jede Feldfrucht, jede Tierhaltung, ja selbst für jede Baumart im Wald wissen, wie er sie biologisch zu bewirtschaften hat. Bislang wurde in der klassischen Landwirtschaft über jedes Detail eine klare Beratung angeboten, zuzüglich der Ausbildung an Berufs- und Meisterschule. Dahinter standen ein Wirtschaftsmodell und ein Zuschussgebäude. Doch die Zuschüsse werden von Brüssel gerade umgebaut. Das allein schafft schon Verunsicherung bei den potentiellen Empfängern.
Erschwert wird das Ganze durch Zwischenformen. Sie fallen unter die Bezeichnung „ökologischer Landwirtschaft“, gehören aber noch nicht zur Rubrik Bioanbau. So sollen z.B. Blühwiesen angelegt werden oder Streuobstwiesen erhalten bleiben. Die ganze Bewegung kommt aus dem Umweltschutz. So soll die Artenvielfalt gestützt werden. Der politische Wechsel vollzog sich mit der Kampagne gegen das Bienensterben, deren Forderungen dann von Ministerpräsident Söder zum Gesetzt ernannt wurden, ohne Unstimmigkeiten mit den bisherigen Gesetzen auszuschalten. Rein juristisch herrscht eine Brisanz der Lage. Doch wie soll sich der Landwirt im ganz konkreten Fall verhalten?
Die bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber versuchte in Wolnzach vor Jahren, die Bauern für die neue Ausrichtung zu gewinnen. Sie hatte einen schweren Stand gegenüber 100 aufgebrachten Hopfenbauern. Die Diskussion driftete ab in Ideologie gegen Reales und ging schief. So laufen die Landwirte in die Hände der AfD. Besser wäre es gewesen, die Landwirte ganz sachte und sicher mitzunehmen anhand ganz konkreter Arbeitsschritte – eben so, wie sie es gewohnt sind. Die Wissenschaft denkt vor, die Ministerialbürokratie übersetzt die Erkenntnisse in Anweisungen und die Beratungen erklären sie. Eigentlich hat der Landwirt überhaupt kein Problem mit dem Naturschutz, wenn die Existenz nicht bedroht wird. Er liebt die Natur, in der er arbeitet und will sie erhalten. Ebensogut muß die Ernte ausfallen oder ein Ausfall subventioniert werden.
Der biologische Anbau muß nicht immer gleich gesetzt werden mit geringem Ertrag. Es gibt durchaus das „Reiswunder“: ein traditionell bewirtschaftetes Reisfeld erbrachte mehr als doppelten Ertrag als die Nachbarfelder mit konventionellem Anbau (Kunstdünger, Herbizide, Pestizide etc.). Dahinter steht die Erkenntnis, daß Pflanzen Lebewesen sind, die mehr als die Hälfte aller Gene mit dem Menschen teilen. Erhalten Pflanzen Aufmerksamkeit als Lebewesen, werden sie als Kostbarkeit wahrgenommen, dann schütten sie viel mehr Früchte aus. Die Fruchtbarkeit und damit der Ertrag gehen durch die Decke. Aber die Wissenschaft will von diesen Erklärungen nichts wissen. Sie steckt noch völlig in der alten Denkweise, wie sie die Amerikaner über viele Jahrzehnte predigten: Die Agrarindustrie.
So wurde auch der biologische Anbau mehr als Nebenschauplatz gesehen. Zu viel Gehirnschmalz floß nicht in ihn. Es kamen Paradoxien auf: Peronospora darf im biologischen Hopfenbau mit dem hoch giftigen Kupfer bekämpft werden. Vielleicht wäre es vernünftiger, den Wechsel der Grundphilosophie zuerst in der Wissenschaft ankommen zu lassen und zu kompletten Systemen zu finden? Es ist also viel Fleißarbeit zu leisten. Der Möglichkeitstraum steht erst am Anfang der Erforschung, vergleichbar mit Antibiotika der Natur. Hinzu müssen Regelungen für den Landwirt kommen, die weit ausgelegt werden dürfen. Kleinhickhack würde die Landwirte auf die Palme bringen.
Letztlich brauchen wir bei Exekutive und Legislative Mitarbeiter, die alles auf den Punkt bringen, also serviceorientiert denken. Nicht die Vorschrift bildet den Endpunkt der Bemühungen, sondern ihr richtiges Verständnis und ihre zielgerichtete Umsetzung in der Praxis. Zugleich müssen die Vorschriften eine gewisse Dauer gelten, dass die Praxis sich einüben kann. Das ist eine pädagogische Aufgabe. Best-Practice-Beispiele bis ins Detail müssen vorgehalten werden. ek