Es dauerte, bis sich die Lokale wieder füllten. Im Unbewussten sind wir noch auf die Außengastronomie eingestellt, obwohl wir ja wissen, dass innen genauso serviert wird. Gegenüber dem mehr als bedenklichen Zusammensitzen an einem Tisch wie im letzten Sommer, meiden wir dies nun, gehen auf Distanz zum Gegenüber. Als die Inzidenzzahlen so konstant nach unten gingen, obwohl sich in unserem Leben nichts änderte, glaubten wir, dass der ganze Krieg gegen das Virus zu Ende gehe. Doch nun steigen die Werte genauso konstant wie zu zuvor sanken. Das verunsichert uns. Schnell mutieren unsere Urlaubsziele zu Risikogebieten. Die Quarantänepflicht nach Rückkehr schreckt ab, auch wenn fast niemand die Quarantäne einhält.
Wir trauen uns auch noch nicht, unbekümmert Shoppen zu gehen. Die Innenstädte haben sich noch nicht gefüllt. Für den Einzelhandel bestehen weiter harte Zeiten. Viele Verbände behalten die Treffen per Video bei. Sind sie womöglich einfacher zu organisieren? Andererseits steigt die Filmreife mancher Auftritte, es werden Studios geschaffen. Doch der persönliche Kontakt am Rande solcher Veranstaltungen fehlt. Das lähmt schnelle Fortschritte von Projekten. Andererseits kehren persönliche Besuche in Firmen zurück, terminlich in Einklang mit dem Homeoffice. Eine Feinabstimmung, eine echte Wirtschaftlichkeit der Beziehungen, aber sieht anders aus. Aus Besuchsverboten wurden Besuchsgebote.
So ist es nicht verwunderlich, dass sich diese Unterbrechungen in den Lieferketten spiegeln. Die Wirtschaft hortet, wo sie vorher ´just in time´ abgestimmt war. So fehlen Halbleiter, Holzartikel, Dämmstoffe – die Wirtschaft kommt aus dem Tritt, die Preise steigen, wie z. B. im Großhandel um
10 %. Selbst die Notenbanken können die Inflation nicht richtig einschätzen. Sind 3 % Inflation nun erwünscht? Die Marktwirtschaft wird als die Wirtschaftsform gefeiert, die zum größten Volkswohlstand führt. Wie schnell kann sie diese Verwerfungen der Lieferbedingungen ausgleichen? Es fehlt an Wissen um diese Art von Krise, wo die Konsumenten noch nicht so berechenbar wie nötig sind. Strukturelle Krisen von Branchen werden nun schneller evident durch Insolvenzen und Aufgabe von Geschäften.
Viele Trends überschneiden sich. So werden Start-ups gefeiert. Bei der Beschreibung ihrer Geschäftsmodelle kommt eine Spezialisierung ans Licht, die auch erfahrenen Investoren unbekannt ist. So fällt eine Bewertung schwer. Auf der anderen Seite wird auf die Nachhaltigkeit geschaut. Da rechnen sich viele gesund, also CO²-neutral, obwohl dies doch beim besten Willen nicht zutreffen kann. Wie möchte eine Erdölraffinerie klimaneutral werden? Es werden also nur die eigenen Prozesse gemessen, nicht aber das Produkt. Die Kompliziertheit nimmt zu. So kann es sein, dass die große Linie verlorengeht, die wirksamer Klimaschutz benötigt. Interessanterweise versuchen auch die Programme der Parteien im Bundestagswahlkampf, so seicht wie möglich zu bleiben. Politik as usual. Wo bleibt die echte Sachdiskussion?
Die europäischen Institutionen sehen wesentlich klarer die Probleme, die vor uns liegen und treiben die Bundespolitik vor sich her. So bekennt sich VW zur Elektromobilität, obwohl nicht absehbar ist, woher der grüne Strom für ihren Betrieb kommen soll und die Ladedauer der Batterien mittelalterlich ist. Es braucht also ganz schnell völlig andere Batterien, vergleichbar mit der Entwicklung der mRNA-Impfungen. Batterieexperten glauben immer noch, dass die Entwicklung von neuen Akkus Jahrzehnte benötigt. Doch diese Zeit haben wir nicht mehr. Dabei gab es schon Lösungen, die aber die Erdölindustrie blockierte. Die Mächtigkeit solcher Branchen wird leicht übersehen. Doch welche Angebote können wir ihnen machen? Da kommen Bilder von Kafka auf: Die Katze fraß die Maus, die sie vorher über ihre Freiheit belehrt hatte. ek