Wem es gelingt, hinter die Kulissen zu sehen, erkennt ein weiteres Problem in der Corona-Krise. So sollen die gleichen Institutionen, die die Überbrückungshilfen I und II bearbeiten, nun auch für das
Novemberausgleichsgeld, für die Auszahlung von 75 % des Vorjahresnovemberumsatzes aller geschlossenen Unternehmen sorgen. Das soll mit einer Software von einem Berliner Beratungsunternehmen erfolgen. Doch diese Software ist nicht fertig und Insider rechnen auch nicht damit, dass dieses Berliner Beratungsunternehmen es im November noch schafft. Dann aber müssen erst die Anträge bearbeitet werden. Auch mit großer personeller Verstärkung von anderen staatlichen Einrichtungen wird dies gehörige Zeit brauchen.
Es drängt sich so die Befürchtung auf, dass die Novemberentschädigung dieses Jahr nicht fließen wird. Zusammen mit dem weiteren Lockdown im Dezember wird es zu existenziellen Bedrohungen in Gastronomie, Hotellerie und Kinos kommen. So großzügig die 75 % des Vorjahresnovemberumsatzes auch zunächst ankamen – für viele Wirte mehr als sie heuer ohne Lockdown erzielt hätten, dabei mit vollen Kosten –, wird es im Dezember zu Tumulten kommen. Weniger als ein Jahr vor der Bundestagswahl. Die Unternehmen fühlen sich verschaukelt. Die große Politik steht oder stand mit vollmundigen Erklärungen gut da. Aber an der Ausführung hapert es gewaltig.
Dabei haben alle 15 ausführenden Institutionen der hohen Politik wissen lassen, dass es bei der Novemberbeihilfe nicht so laufen kann. Alle waren sich einig, dass diese kurzfristige Entschädigung nur die Finanzämter hätten schaffen können. Da wäre nicht einmal ein aufwendiges Programm nötig gewesen, sondern es wäre durch eine Programmergänzung von wenigen Stunden Programmierung erledigt gewesen. Die Finanzämter halten die Kontenverbindungen, kennen die Umsatzzahlen aus den Mehrwertsteuererklärungen. Es könnte fast vollautomatisch laufen. Deutschland im digitalen Denknotstand. Die Unternehmen hätten keinen Antrag zu stellen gehabt. Deutschland ein Bürokratiefetischist.
Es war schon eine Brücke, von Abschlagszahlungen auszugehen, um den Prozess zu beschleunigen. Aber damit hätte auch schon längst begonnen werden müssen, wenn das Geld Anfang Dezember auszuzahlen ist. Schon im Juli gab es bei der Software der Überbrückungshilfe I eine wochenlange Verzögerung. Warum wurde aus dieser Erfahrung nichts gelernt? Oder meinten es Merkel und Söder gar nicht so ernst mit der Unterstützung? Warum wird nicht auf die gehört, die die Praxis kennen? Nach der Corona-App nun eine zweite Digitalblamage. Es sollten sich heute die Verbände auf die Hinterfüße stellen und von der Politik eine Softwareentscheidung einfordern: wenn die Software-Ergänzung für die Finanzämter noch diese Woche geschrieben und getestet wird, fließt Ende November die Entschädigung an die Unternehmen. Es braucht lediglich noch eingegeben werden, welche Unternehmen das sind. Dies könnte in der Zeit der Programmergänzung erfolgen. Als diese Woche. ek