Entscheidende zwei Wochen

November 23, 2020

Von der hohen Politik wurden weitere Verschärfungen der Corona-Beschränkungen noch verschoben. Österreich entschied letzte Woche, zum harten Lockdown zurückzukehren: Einzelhandel, Schulen etc. Eine Verzweiflungsreaktion. Schauen wir nach Berchtesgaden: Dort liegt die Inzidenzzahl noch um die 180. Ein Erreichen der 100 steht noch in weiter Ferne, obwohl dort die Einschränkungen des Frühjahrs wiederholt wurden. Mittlerweile sind Berlins Pläne an die Öffentlichkeit gekommen: Vor dem 20.12. gibt es keine Lockerungen. Aber sind sie bei Werten über 100 überhaupt vertretbar?

Offensichtlich greift das Vereinzelungsraster nicht so stark, als die Experten vorhersagten. Da galt es, die Kontakte auf ein Viertel herunterzufahren. Also weiter Homeoffice, Masken in der Öffentlichkeit, Abstandsgebot, Desinfektion, Gastronomie und Messen u.v.a. geschlossen etc.. Dieses Ziel der Verhinderung von Kontakten wird freilich nicht erreicht. Es kam deshalb nur zu einem nicht mehr Steigen der Neuinfektionszahl. Die Beschränkungen zeigen also doch Wirkung, aber nicht schnell genug. Im Frühjahr dauerte es zwar auch, aber das Fallen der täglichen Zahlen war selbstverständlich und beachtlich. Was ist gerade anders als im Frühjahr? Im Frühjahr war die Infektionsangst viel höher. Viele ältere Menschen wagten sich nicht aus dem Haus. Türklinken wurden mit dem Ellenbogen geöffnet. Supermärkte konnten nur mit Einkaufswagen betreten werden. Und es gab Ausgangsbeschränkungen. Die Schulen und Kitas waren geschlossen. Das Verreisen ging sehr erschwert. Flüge waren abgesagt. Und die Sonnenstunden wurden mehr. Es war ein drastischer Lockdown. Alle Behörden konnten nicht mehr betreten werden.
Veranstaltungen und Meetings wechselten ins Internet.

Mit den Lockerungen entstand das Bewusstsein, dass Einiges vielleicht überzogen gewesen sei. Hinzu kam die Verlagerung des Lebens immer mehr ins Freie und das konsequente Einhalten der Hygieneregeln. Es wurde viel desinfiziert. Die Maskentragepflicht im öffentlichen Verkehr setzte sich durch. So blieben die Infektionszahlen niedrig. Alle Fehler aus infektologischer Sicht wurden nicht geahndet, weil die Zahlen so niedrig waren, dass sie nicht griffen. Beim Lockdown light blieben aber all die Fehler. Nun kommen sie ans Licht. Dabei hielt sich die Unbeschwertheit. Im Supermarkt geht es zu wie vor Corona,  abgesehen von den Plexiglasscheiben an den Kassen und dass Masken getragen werden. Es wurde unterlassen, die Qualität der Masken und ihre Handhabung signifikant zu verbessern. In Alten- und Pflegeheimen wird anscheinend nicht oft genug gemessen. So steckten das Personal oder Besucher bis zu 90 % aller Insassen an. An geöffneten Schulen und Kitas wird festgehalten. Doch es sind überraschend viele Schüler in Quarantäne. Längst ist bekannt, dass auch Kinder sich anstecken können und das Virus übertragen. Deshalb herrscht gerade eine stärkere Diskussion um den Unterricht in den Schulen. Wären die Masken dicht und würden nie abgenommen, gäbe es im Präsenz-Unterricht keine Ansteckungen.

Mit all diesen Schwächen eines an sich guten Konzepts sinken die Infektionen zu wenig. Die Angst vor den Wintermonaten war berechtigt. Lüften und Luftreinigungsgeräte bringen nicht so viel als erhofft. Tests werden nicht konsequent genutzt und positive Ergebnisse nicht schnell genug nachverfolgt. Es fehlt auch völlig an Beratern und Vorbildern im Umgang mit den Hygienekomponenten. Zu sehr wird schon auf die Impfungen geschaut. Doch in den nächsten zwei Wochen werden sie noch nicht zur Anwendung kommen.

Aber diese zwei Wochen entscheiden, ob es überhaupt zu Lockerungen in den Wintermonaten kommen kann oder ob wieder Ausgangsbeschränkungen eingeführt werden müssen. So kann nur appelliert werden, in diesen zwei Wochen noch einmal freiwillig die Kontakte größtmöglich einzuschränken, Masken zu tragen, immer Abstand einzuhalten, Quarantänen eisern durchzuziehen, wieder viel zu desinfizieren und an allen Hotspots möglichst viel zu testen. Doch wer sagt es allen Bürgern und schnell genug? ek