Der Untersuchungsbericht zu den Missbrauchsfällen im Erzbistum München-Freising schlägt hohe Wellen. Einige erreichen auch die Hallertau. Dr. Lorenz Wolf, Leiter des Katholischen Büros in Bayern und Kirchenrichter im Rang eines Bischofs, stammt aus Scheyern und ging in Pfaffenhofen ins Gymnasium. Einige seiner Entscheidungen werden von den Untersuchern kritisiert. Sie wären zu wenig aus der Sicht der Opfer gefällt worden und einige Zeugenaussagen wären von Dr. Wolf zu stark in Zweifel gezogen worden.
Dr. Wolf wehrte sich gegen die Aussagen des Gutachtens mit aller Nachdrücklichkeit und Logik, so dass die Süddeutsche Zeitung feststellen musste, dass die Klarstellungen Dr. Wolfs auch die Auftraggeber des Gutachtens belasteten. So bat Kardinal Marx Dr. Wolf, seine Ämter ruhen zu lassen, was er auch vornahm. Das bedeutet nicht, dass Dr. Wolf sich nicht mehr wehren könnte. Doch die Öffentlichkeit ist von ihm genommen worden. Es kann auch als Bauernopfer gesehen werden, damit Marx im Amt bleiben kann.
Wer Dr. Wolf näher kennt, weiß an ihm zu schätzen, dass er sich stets große Mühe gibt, Gerechtigkeit walten zu lassen. So wird auch kein Urteilsspruch Dr. Wolfs vom Gutachten verworfen. Vor 10 Jahren war freilich die Katholische Kirche noch stabiler. Das spiegeln auch seine Begründungen wider. Heute würde er sie sicherlich aus der geforderten Sicht der Opfer verfassen. Aber einen Richter deswegen zu verurteilen, geht sicherlich zu weit. Es wird auch schon vom Mißbrauch des Mißbrauchsgutachten gesprochen.
Dabei hat das Gutachten des Bistums München-Freising eine sehr lange Geschichte. Ursprünglich sollten alle Mißbrauchsfälle offen und objektiv, also aus Sicht von Juristen, dargelegt werden. Doch plötzlich nahm sie Kardinal Marx unter Verschluss – noch vor der Veröffentlichung. Es hätte etwas ganz Schlimmes daraus geschlussfolgert werden können. Recherchen ergaben, dass es um Josef Ratzinger ging, der früher Kardinal München-Freising, war, aber inzwischen als Papst Benedikt XVI. der katholischen Weltkirche vorstand. Die Beschuldigungen des Gutachtens hätten das Papstamt beschädigt. Da aber nicht alles mit einem Akten-Verschluss geheim zu halten ist, war der Rücktritt Benedikt XVI. die Konsequenz. Dass die offiziellen Gesundheitsgründe nur vorgeschoben waren, zeigt sich am langen Leben des emeritierten Papstes.
Nach 10 Jahren fand es Kardinal Marx angebracht, das Gutachten aktualisieren zu lassen und es nun in die Öffentlichkeit zu bringen. Marx Rücktrittsersuchen letztes Jahr, das Papst Franziskus ablehnte, war eine gute Taktik, dass bei der Veröffentlichung Rücktrittsforderungen Maxs‘ abgeschmettert werden können. Andererseits fragt es sich schon, warum Benedikt XVI. so schlecht auf die Veröffentlichung vorbereitet wurde. Die Lügen wurden als Irrungen eines alten Mannes zurück genommen. Das umfangreiche Detailwissen Ratzingers steht dem entgegen. Es liegt nun an Papst Franziskus mit der richtigen Würdigung des Gutachtens das Amt des Papstes zu stärken. Alles in allem muss Kardinal Marx testiert werden, dass er größten Schaden von der Führung der Kirche abgewendet hat und dass seine Taktik aufging. Das „Restdonnern“ kann ausgestanden werden. Schade nur, dass es „unseren“ Dr. Wolf traf. Oder wollte ihn Kardinal Marx als mächtigen Kirchenmann aus dem Weg räumen? ek