Nun haben die Wirtschaftsweisen reagiert: Sie verringerten das geschätzte Wirtschaftswachstum Deutschlands für 2021 auf 2,4 %. Vermutlich wird dies nicht die letzte Korrektur bleiben, wobei freilich nur noch zwei Monate im laufenden Jahr dazu beitragen. Werden sie für sich gesehen, dann haben wir bereits eine Rezession. Die Korrektur betrug 1,3 % nach unten! Wenn bei Audi die Fließbänder stehen, dann können auch die Zulieferer keine Umsätze verbuchen. Durch die Verzögerungen in der Auslieferung der Fahrzeuge sinken auch die Umsätze der Audi-Händler. Dadurch werden Sparmaßnahmen eingeleitet, Investitionen geschoben und Zeitverträge von Mitarbeitern nicht verlängert.
Der Arbeitsmarkt freilich zeigt sich nicht nur robust, sondern es herrscht Fachkräftemangel wie vor der Corona-Krise. Dadurch lassen sich Umsätze nicht steigern, selbst wenn sie nicht von Materialengpässen betroffen sind. Es ist schon verrückt, dass trotz voller Auftragsbücher die Gewinne ausbleiben. Nicht selten bestehen die Verträge und Erhöhungen der Materialpreise können nicht weitergegeben werden. In anderen Fällen nehmen die Kunden vom Kauf oder einer Investition Abstand, weil die Lieferung zu spät erfolgt oder die wirtschaftliche Unsicherheit zunimmt. Die Löhne werden nicht so schnell steigen, die Inflation von 4-5 % auszugleichen.
In einer Stagflation verlieren fast alle. Nur Schuldner müssen, in Kaufkraft gemessen, weniger zurückzahlen. Die Milliardenschulden des Staates würden sich abbauen, da sich die Steuereinnahmen vom höheren Nominalwert ableiten. Womöglich kommt so Waser auf die Mühlen der Parteien, die stark in die Verschuldung gehen wollen. Die EZB müsste von der Politik des billigen Geldes abrücken, da die überschuldeten Staaten Europas die Schulden bedienen könnten. Doch die Sparer werden nie so hohe Zinsen bekommen, dass sie die Inflation ausgleichen können. Diese Anlageform vernichtet also Vermögen. Dadurch steigen die Immobilienpreise noch stärker, womöglich deutlich über die Inflationsrate.
Die Wirtschaftsweisen rechnen nicht so schnell wie die EZB mit einer Entspannung an den Rohstoff-, Logistik- und Teilmärkten. Sie sprechen von Mitte 2022. Aber woher wollen sie dann die mehr als 5 % Wachstum für 2022 nehmen? Das bedeutete doch 10 % in der zweiten Jahreshälfte 2022. So viel geben aber die Märkte nicht her, weder bei Materialien noch den Arbeitskräften. Wir werden vertröstet wie das Tier, das Karotten hinterherläuft, die von von einer Stange hängen, die am Rücken des Tieres befestigt ist. Mit den Verwerfungen bei den Lieferungen, Konsumpreisen, Löhnen kommt schnell eine Gemengelage auf, die Populisten und extremen Parteien Zulauf bescheren. Stagflation führt auch zu einer Aushöhlung der politischen Stabilität.
Wirtschaftliche Krisen haben die Erwartungen auf die CDU/CSU erhöht. Den Konservativen wird mehr Wirtschaftskompetenz zugesprochen. Bei CDU/CSU sind die Verbindungen zur Wirtschaft am engsten. Ohne die Wirtschaft lassen sich Krisen nie überwinden. Auch die FDP darf sich als Wirtschaftspartei bezeichnen, repräsentierte aber mehr die gehobenen Angestellten, die Macher. Eine Regierungsbildung spiegelt immer die Wirtschaftslage wider. Große Koalitionen erwuchsen aus Wirtschaftskrisen. Es kann also doch noch kommen, dass die derzeitigen Koalitionsgespräche an der Wirtschaftslage scheitern oder eine Regierungskrise in kürzester Zeit auftritt.
Die CDU müsste deshalb schnellstens ihre Führungskrise überwinden. Interessanterweise kritisieren CSU-JUler Söder, wenden sich Manfred Weber zu. Machtmensch Söder wird dies gar nicht passen. Aber vielleicht versteht er nun, warum ihn die CDU nicht als Kanzlerkandidat wünschte. In der Folge ist die CDU noch nie so weit vom Kanzler entfernt wie gerade. ek