Die Steuerschätzung ergab ein Minus von 100 Mrd. für Bund, Länder und Kommunen. Doch Wirtschaftsexperten wie der Berliner Ökonom Prof. Marcel Fratzer warnen, das sei alles zu optimistisch gerechnet. Die deutsche Wirtschaft erhole sich nicht so schnell wie 2008/09. Damals zeigte sich ein Jojo-Effekt wie bei einer Abnehmekur: Die Wirtschaft kehrte schnell auf ihr vorheriges Niveau zurück, ging also tief nach unten und schnellte zurück – dank Abwrack-Prämie und Bankenrettung. Nur sehr wenige Wissenschaftler sahen dies voraus. Heute versucht die Politik, eher optimistisch dazustehen. Deshalb wurde der Steuerschätzung ein sog. „V-Verkauf“ der Wirtschaftserholung zugrunde gelegt: Es geht schnell nach unten und erholt sich deutlich und immer stärker, bis das alte Niveau erreicht wird.
Prof. Fratzer aber warnt vor so großem Optimismus. Es könnte die Wirtschaft auch auf dem unteren Niveau verweilen.Dann stagniert sie auf diesem Level. Dieser Zustand wird als „L“ bezeichnet: tief runter und nicht mehr hoch. Wenn von einem „U-Verlauf“ gesprochen wird, dann erholt sich die Wirtschaft nach einer Zeit und steigt dann wie Phönix aus der Asche zu alter Stärke auf. Wahrscheinlich ist es ein rundes „U“. Der „L-Verlauf“ entspricht der Entwicklung Spaniens nach der 2008er Immobilienkrise, während der „U-Verlauf“ auf einen positiven Gesamteffekt der Weltwirtschaft laufen – auf ein gemeinsames Erholen. Die meisten Wirtschaftswissenschaftler stellen sich auf den Standpunkt, dass derzeit Prognosen nicht möglich sind und in Szenarien gedacht wird. Eine feine Art, die Unzulänglichkeiten der Wirtschaftswissenschaften neu zu verkleiden. Es fehlen ja viele Parameter und ihre Vergleichbarkeit. Wird es eine Depression wie 1929 geben? Heute sind aus dieser Krise viele Parameter bekannt, sie besser zu meistern. Zeitweise wurde Prof. Keynes dazu gefeiert. Der Staat müsse gegensteuern. Die Rezepte der Politik stützen sich voll auf diese Richtung.
Doch alle Aktionisten übersehen ein Moment, das die Corona-Krise charakterisiert: sie ist langwierig. Ob es neue Wellen gibt, wissen wir noch nicht mit Gewissheit. Sie sind aber wahrscheinlicher als keine. Solange es keinen Impfstoff für alle Länder der Erde in ausreichender Menge und Bezahlbarkeit gibt, wird Covid-19 unseren Alltag bestimmen. Aber wie soll das zu schaffen sein?
Diese Langwierigkeit der Krise hat es in den Wirtschaftswissenschaften noch nie gegeben. Chronisch schwache Strukturen bildeten bislang ihren
Forschungshorizont ab. Während des 2. Weltkriegs lag auch die Wissenschaft am Boden bzw. die Amerikaner interessierten sich nicht für die europäischen Volkswirtschaften. Nach der Corona-Krise haben wir auch keine Städte aufzubauen, sondern „nur“ insolvente Betriebe. Bei der Kauflaune können sich Parallelen ergeben: Nach der Zeit der Entbehrungen und der Unsicherheit belohnen sich die Haushalte mit Mehrkonsum.
Ein besonderer Zweig der Volkswirtschaft widmet sich langfristigen Wirtschaftsentwicklungen. Auch sie verlaufen wellenförmig. Der Abstand zwischen den Hochs liegt ungefähr bei 30 Jahren. Sie wurden erstmals beschrieben vom Russen Kondratief und tragen deshalb seinen Namen. Den Hochs liegt immer eine große Problemlösung zugrunde, die die Wirtschaft entwickeln wie z.B. die Einführung der Dampfmaschine, der Bau des Bahnschienennetzes, die Elektrifizierung etc.. 2020 war der Höhepunkt der Digitalisierung. Nun geht es abwärts. Für 2050 steht also der nächste Konjunkturhöhepunkt an. Seine Problemlösung wird die Umwandlung der gesamten Weltwirtschaft auf CO2-freie Produktion, die Begrünung der Wüsten, die Begrenzung des Anstiegs des Meeresspiegels und dem Pflanzen weiterer Wälder darstellen. Auch die Medizin könnte ihren Teil beitragen, indem alle schweren Krankheiten heil- oder zumindest behandelbar werden.
So tun die Konjunkturprogramme gut daran, den grünen Daumen anzulegen. Auch aus der Corona-Krise sind große Lehren zu ziehen, damit kein weiteres Virus ähnlich verheerende Wirkungen auslösen kann. ek