Papst Franziskus überraschte schon öfters die Politik mit extremen Positionen. So stellte er sich auf die Seite der zahlreich anlandenden Flüchtlinge in Lampedusa, was gerade konträr zur Obergrenzenforderung Friedrich März´ ist und mehr der ehemaligen Ausrichtung von Angela Merkel entspricht. Mit seiner Ermutigung der Ukrainer den Krieg durch Verhandlungen und „Zeigen einer weißen Flagge“ zu beenden, erregte der Papst nicht nur Empörung der westlichen Verteidigungspolitiker und Selenskyjs. Seine Einmischung in den Krieg galt als unerwünscht und unsubstantiiert. Franziskus spielte Putin in die Arme. Ihm wird auch vorgeworfen, den orthodoxen Bischof Kyrill für seine Nähe zu Putin nicht gemaßregelt zu haben. Kyrill unterstützt den Krieg Putins. Eine schwer mit dem Christentum zu vereinbarende Haltung.
Es wurde versucht, die Äußerungen Franziskus´ relativiert zu bekommen. Doch die Klärung gelang nicht so, wie es der Westen erwartete. Schon kommen Erinnerungen auf, wie sich der Vatikan mit Diktator Hitler arrangierte. Es ist aber schwer vorzustellen, dass Franziskus mehr auf der russischen Seite steht. So bedarf es Erklärungen. Eine erste: Der Krieg schickt auf beiden Seiten ihre beste Jugend ins Feld und es sterben zu viele Menschen. Bei den Russen werden die Toten mir 350 000 beziffert. Auf Seite der Ukraine wird mit 250 000 spekuliert. Hinzu kommt die fatale Lage, dass sich der Krieg in den Stellungen gefressen hat und keine Partei mehr siegen kann.
Auf beiden Seiten fehlt es an Munition und Waffen. Putin fährt die russische Rüstungsindustrie hoch, der Westen gab letzte Woche ähnliche Ziele bekannt, was aber nicht darüber hinwegtäuschen soll, dass Trump (jetzt bereits!) 30 Milliarden US-Unterstützung für die Ukraine im Congress blockiert. Franziskus geht auf diese sinnlose Lage ein. Vielleicht will es auch einem Trump´schen Friedensschluss zuvorkommen. Es ist derzeit Trump stärker als Biden und so vermutet Franziskus – wie viele im Westen -, dass Trump im November die Wahl gewinnen wird. Beide Kriegsparteien hätten Extrempositionen für den Frieden. Nach Trump werde Russland alle von ihm besetzten Gebiete zugesprochen, aber die Rest-Ukraine bliebe selbstständig und schließt sich der EU und der Nato an. Franziskus als Realist?
Es gebe aber auch noch eine ganz andere Erklärung, die aus der Philosophie Jesus kommt. Jesus war radikaler Pazifist. Jede Kriegshandlung verurteilte er. Wir kennen: „Wenn Dich einer auf die linke Wange schlägt, halte ihm auch die rechte hin“. Damit siegte Mahatma Gandhi über die Briten. Auch Nawalny war so eingestellt. Märtyrer erzeugen mehr politische Kraft als Militärs. In unserem Gerechtigkeitsdenken, das die Christen auf die radikal-militante Theologie der Juden folgen ließen – und nicht zum Pazifismus neigten, gibt es die Selbstwehr des Angegriffenen als Rechtfertigung. Das ist eine realpolitische Einstellung und hat nichts mit der Lehre Jesus zu tun. In ihr rüsten beide Seiten so stark auf, wie sie können und die wirtschaftlich stärkere Seite siegt – mit sehr vielen Opfern. So verteidigt sich Europa in der Ukraine. Das verhindert die Ausdehnung des Kriegs auf das Baltikum und Polen, Moldawien und Georgien. Ob Franziskus zur reinen Lehre Jesu´ zurückkehren wollte? Nach dem Aus für den synodalen Weg der deutschen Bischöfe durch Franziskus ist das eher unwahrscheinlich. Auch die katholische Kirche ist ein Machtgefüge. Dann hätte er auch Kyrill kritisieren müssen. ek
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