Schwierige Perspektiven

März 18, 2024

Trotz des Höhenflugs der Börsen herrscht derzeit Pessimismus in der deutschen Wirtschaft vor. Das Ifo-Institut sieht zwar Erholungsmomente der Konjunktur ab Sommer aus der gestiegenen Kaufkraft: die Lohnerhöhungen übersteigen die Inflation. Doch die Aussicht, dass Trump die Wahl in den USA gewinnt, sorgt für eine vorsichtige Haltung selbst bei den Konsumenten. Die Kriegsgefahr für Europa steigt. Noch deutlicher schlagen sich solche Erwartungen in den Investitionen der Unternehmen nieder. Der Hauptgeschäftsführer der IHK München und Oberbayern, Dr. Gößl, drückte dies in der Vollversammlung letzte Woche aus. Alle Konjunkturindizes (aus den Befragungen der Manager) liegen am Boden. Auch die Unzufriedenheit mit dem Führungsverhalten von Kanzler Scholz kam zur Sprache: Auf der Handwerksmesse wollte Scholz so schnell wie möglich wieder weg. Für die Wirtschaft hatte er kein Ohr, noch aufmunternde Worte. Es brach eine regelrechte Empörung der Spitzenverbandsvertreter aus.

Dr. Gößl hatte aber auch noch andere negative Erkenntnisse im Gepäck: So sei die demographische Entwicklung Deutschlands verheerend. Für 15 Jahre bremse sie gewaltig eine konjunkturelle Erholung. Solange gehen Mitarbeiter in Rente, aber als Nachwuchs stünde nur ein halber Mitarbeiter als Schulabgänger zur Verfügung. Eine demographische Stagnation sei also vorprogrammiert. Doch bei genauerem Abwägen aller Komponenten zeigt sich dieses düstere Bild nicht. Wenn Fachkräfte aus dem Ausland leichter nach Deutschland kommen können und dies auch wollen, könnte diese Lücke geschlossen werden. Hinter der Arbeitslücke steht auch das Gleichgewicht der Sozialsysteme in Frage, so dass die wirklich funktionierende Fachkräfteeinwanderung die deutsche Wirtschaft stabilisiert. Eigentlich keine neue Erkenntnis. Freilich würden Asylbeantragende dadurch stark zurück zu drängen sein. Nur echtes Asyl wäre großzügig zu gewähren, während die Wirtschaftsflüchtlinge außen vor bleiben.

Was Dr. Gößl auch nicht in seinem Kalkül hat: Der Klimaschutz erfordert hohe Investitionen der Wirtschaft. Sie müssen in den nächsten 15 Jahren vollzogen werden. Echter Klimaschutz erfordert Technik wie z.B. die CO2-Eliminierung aus der Atmosphäre. Würden diese Investitionen nicht vorgenommen, kommen aus dem Klimawandel apokalyptische Ereignisse, die die Zivilisation zerstören. Es bleibt also der westlichen Wirtschaft gar nichts anderes übrig, als den Klimawandel abzuwenden. Die Maßnahmen würden global vorgenommen und bräuchten wenig deutsche Arbeitskräfte. Deutschland könne sich auf die Lieferung der Pläne und der Technik konzentrieren.

Die IHK schälte beim derzeitigen Arbeitsmarkt aber ein anderes Phänomen heraus. Wenn eine Teilzeitkraft, getragen von hoher Unterstützung durch staatliche Transfereinlagen wie z.B. Wohnungsgeld, durch Verdopplung der Arbeitszeit zum Vollzeitarbeiter aufsteigen, wäre der Nettozuwachs des Einkommens erschreckend klein. Der Grund: Die Transferzahlungen fielen weg. So lohnt es sich nicht, viel mehr zu arbeiten. Das Bürgergeld der Ampel verhindere also Mehrarbeit, gerade bei Ukrainern. Die CDU will deshalb das Bürgergeld wieder zurechtrücken, wenn sie die nächste Regierung anführt, was wahrscheinlich ist. Es bedarf also einer Reform des Sozialsystems vergleichbar mit den Hartz-IV-Gesetzen unter Kanzler Schröder. Diese Komponente des Arbeitsmarkts sei also organisierbar. Der Mindestlohn, der politische Liebling der SPD, wird interessanterweise wenig thematisiert für die Probleme der Wirtschaft. Dabei trifft er die Gastronomie und viele andere Dienstleistungen wie Pflege oder Gebäudereinigung.

Eine alte Erfahrung in der Wirtschaft lautet: Wenn alle Erwartungen der Wirtschaft am Boden sind, gibt es positive Überraschungen, mit denen keiner mehr rechnete. Wie von selbst stellt sich dann eine neue Aufwärtsbewegung ein. Hätten wir eine echte Wirtschaftskrise würde der Dax nicht Rekordstände verzeichnen. Die Börse eilt der realen Wirtschaft voraus. Es gibt nun Wetten von Dr. Gößl, wann die EZB die Zinsen in 0,25-Prozentschritten senken wird: Sommer oder September. Aber alles in 2024 – und leider stark abhängig von der FED. In den USA hält sich die Inflation über 3%, während wir sie mit 2,5% in Europa überwunden haben. Wer hätte das noch vor einem Jahr vorhergesagt? Vielleicht wendet sich auch das Blatt im US-Wahlkampf zugunsten Bidens. Oder die Weltnachfrage zieht an, beflügelt die Exportnation Deutschland. Die Zinserwartungen regeln jetzt schon den Immobilienmarkt, zusammen mit fallenden Baupreisen. So ist die Nachfrage nach Bankkrediten im Januar stark gewachsen. Die Selbstheilungskräfte der Wirtschaft wirken also. ek

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