Die Sachverständigen des Wirtschaftsrats der Regierung scheinen sich auch mehr vom Medienmainstream leiten zu lassen als von ihrem Wissen um die psychologische Wirkung von Prognosen in der Wirtschaft. So brachten sie letzte Woche die Überschrift: 2023 wird eine Rezession von 0,6 % des Wirtschaftswachstums vorhergesagt. Interessanterweise nahmen die anwesenden Journalisten aber auch aus der Pressekonferenz mit, dass die Institutsleiter eigentlich das Wort Rezession nicht in den Mund nehmen wollten. Noch interessanter: Im letzten Quartal 2023 soll es wieder aufwärts gehen – und in 2024 mit mehr als 1 %. Und davor stehen wir nun ja. Wenn also ein positives Wachstum, also keine Rezession für die Zukunft erwartet wird, warum gibt es dann dies nicht in der Prognose?
Natürlich bezieht sich die Vorherschau auf das ganze Jahr 2023. Aber wo standen wir bis Ende September 23? Es müsste also bis August ein Minus im Wachstum vorgelegen haben, denn der noch nicht ausgewertete September kann gar nicht so schlecht ausfallen, ein derart großes Minus im Gesamtjahr zu verursachen. Dabei meldete Bayern unlängst ein Wachstum seit Januar. Die anderen Bundesländer hatten aber nur eine Stagnation. Noch dazu werden die bekannten Nominalwerte (Wachstum deutschlandweit von 7,8 %) mit der Inflationsrate auf reale Werte heruntergerechnet. Aber welche Inflationsrate soll genommen werden? Die in den Medien verbreitete errechnet sich aus dem Konsum. Mit ihr abzuwerten ist völlig abwegig, wenn das Gesamtbruttoinlandsprodukt betrachtet wird.
Und nun kommt der Hammer: Die Konsuminflation ist bis Mitte September seit August um nahezu
1 % gefallen. Wenn dies so weitergeht, werden wir Ende 23 unter 4 % Konsum-Inflation stehen. Dann errechnet sich ein positives Wachstum von 1 %. Es ist also unverschämt, diese Rezessions-Überschrift durchgehen zu lassen. Wäre es nicht besser, die drastisch sinkende Inflationsrate zu würdigen? Dann wäre plötzlich das Glas nicht mehr halb leer, sondern halb voll. Und noch wichtiger: Die Feststellung, es geht nun bergauf. Das Signal an die EZB ist natürlich doppeldeutig: sinkende Inflation, steigende Produktion, wenn die EZB glaubt, dass die verringerte Inflation aus einem Abfallen der Produktion käme, ihre Zinserhöhungen also Wirkung zeigten. Aber diesen Widerspruch kann die EZB mit ihrem veralteten Theoriegebäude nicht lösen.
Was folgt aus einer Rezessions-Überschrift? Die Unternehmen schrauben Ausgaben, v.a. Investitionen zurück und erfüllen so die Prognose. Zugegeben, die Problemlage in der Baubranche oder bei energieintensiven Industrien ist dramatisch, aber der Rest der Wirtschaft arbeitet wie üblich. Schlussfolgerungen: Keine weitere Anhebung des Leitzinses durch die EZB (dem amerikanischen Trendsetter folgend), ein Zinsprogramm für den Hausbau und Zugeständnisse, wenn die Industrie ihre Stromkosen senkt, wie z. B. Ausnahmen vom Merit-Order-Prinzip, Erlaubnis der Selbsterzeugung von Strom ohne Nebenkostenaufschläge. Es braucht keine direkten Subventionen, sondern es genügen Bypässe im verfetteten Strommarkt. Die Ampel und die EZB sollen auf die Märkte setzen, sie funktionstüchtig erhalten. Dann wäre die psychologische Bremse weggeblasen und es könnten Wachstumsraten von + 3 % vorhergesagt werden – die sich dann auch erfüllen. ek