Nach zwei Monaten antwortete ein Mitarbeiter von Verkehrsminister Volker Wissing auf die in der Wolnzacher Woche vorgetragene Reform des Strommarkts (Merit-Order-Prinzip mit Kohleverstromung als Bezugspreis für die Preisbildung). Der Preis für Gas sei bereits gesunken und damit auch die Strompreise. Das genüge der Regierung, weshalb eine echte Reform nicht mehrheitsfähig sei. Sie wird als riskant eingestuft. Immerhin ist festzustellen, dass nach MdB Dieter Janecek (Grüne) auch die FDP sich mit dem Reform-Vorschlag auseinandersetzten musste. Die Gas- und Strompreisbremsen wurden nun vom Bundestag und Bundesrat verabschiedet. Dem „kleinen Mann“ ist etwas geholfen worden. Er hat aber den doppelten Strompreis als Deckel hinzunehmen. Bei Unternehmen ist alles komplizierter geregelt, so dass auf die praktische Umsetzung zu warten ist.
Völlig unbeantwortet blieb die Fehllenkung von mittlerweile 200 Mrd. €, die die Stromerzeuger aus der Merit-Order-Regelung erhielten. Dieser Prozess läuft weiter: über Jahre. Diese 200 Mrd. € wurden von den Stromabnehmern bezahlt. An Rückerstattung wird nicht mehr gedacht. Es wurde eingesehen, dass „Übergewinne“ nicht zu fixieren sind und juristisch nicht zurück gefordert werden können. Auch die 3 Mrd., die Minister Habeck als kleine Lösung ansprach, sind gescheitert. Müssen wir uns mit einem der größten politischen Fehler der Wirtschaftsgeschichte abfinden? Beim Cum-Ex-Deal wurde der deutsche Fiskus um einen zweistelligen Milliardenbetrag beraubt. Doch mit der Merit-Order-Regelung, wie sie jetzt praktiziert wird, haben wir innerhalb eines halben Jahres schon über 170 Mrd. € in fremde Taschen fließen lassen.
Eine Senkung des Gaspreises verbilligt zwar die Verstromung von Gas. Doch Gas bleibt viel teurer als vor der Energiekrise. Die LNG-Terminals werden gerade als Durchbruch in der Gasversorgung gefeiert, doch dieser Transport ist viel teurer als Gas aus der Pipeline und wird es bleiben. Hunderte von Schiffen mit Gas warten auf Entladung. Das Warten muss aber auch bezahlt werden. Die Regierung schafft es auch nicht, den Gasmarkt zu teilen in ein Industriekontingent und in ein Verbrauchssegment für Haushalte und Verstromung. So steht Deutschland als Industriestandort zur Disposition. Wenn nun auch noch der Strompreis hoch gehalten wird, gibt es für die Unternehmen keinen Anreiz, statt Gas Strom einzusetzen, womit sich die Katze in den Schwanz beißt.
Natürlich wird der Gaspreis sinken, wenn mehr Gas angeboten als nachgefragt wird. Experten schätzen dies bereits für 2024. Womöglich kalkuliert auch die Bundesregierung damit. Aber dieses Überangebot kann nur über LNG-Terminals kommen, solange die Nord-Stream-Pipelines nicht liefern. Eine andere Lösung wäre, das Gas aus der Verstromung zu nehmen und damit die Nachfrage zu senken. Dann wären wir auch bei der Strompreisreform. Doch dies ist unrealistisch: Es fällt schwer, neu gebaute Gaskraftwerke stillzulegen (und Atomkraft am Netz zu lassen) aber auch LNG-Terminals abzuschreiben.
Zu den bis 2024 fehlgeleiteten 500 Mrd. € kommen die staatlichen Subventionen für Gas- und Strompreise hinzu. Es fließen zwar Steuern aus den Gewinnen der Stromerzeuger, die dies kompensieren, doch dauert dies im Durchschnitt zwei Jahre. Wie soll da die neu ausgelobte Schuldenbremse 2023 eingehalten werden? Zusätzlich wirken die 500 Mrd. € wie eine Steuer für die Stromkunden. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten können Sonderbelastungen nicht so einfach gestemmt werden. Selbst mit halbherzigen Subventionslösungen wird es erhöht Konkurse und volkswirtschaftliche Schäden geben. Zusätzlich fehlt dieses Geld für den Klimaschutz, womit wir bei der größten Blamage für die Grünen ankommen. Aus Bequemlichkeit und Selbstüberschätzung wurde die Strompreisreform unterlassen. Wenn nun auch die FDP sie negiert, kann aber nicht angenommen werden, dass sie damit den Grünen eines reinwürgen will. Vielmehr handelt es sich um wirtschaftspolitische Unwissenheit, die später einmal als Dummheit angeprangert wird. ek