Entgegen aller Prognosen siegten die Republikaner bei den Midterms, der Neuwahl des Repräsentantenhauses und ein Drittel des US-Senats, nicht. Sie können bestenfalls eine hauchdünne Mehrheit erringen. Es gab also keinen Denkzettel für den mäßig beliebten Präsidenten Joe Biden, doch einen deutlichen in Richtung des zündelnden Donald Trump. Die Wähler folgen Trump und seinen unterstützten Kandidaten nicht mehr bedingungslos. Plötzlich ist die Wahl des nächsten Präsidenten der USA wieder völlig offen. Es hat die Demokratie gesiegt, und zwar in der wichtigsten Demokratie der Welt.
Es gibt nun einen Widersacher Trumps in den eigenen republikanischen Reihen: Ron DeSantis, mit großer Mehrheit in seiner Heimat Florida als Gouverneur wiedergewählt. Der Ziehsohn Trumps hat eigene Ansprüche zur Nominierung als Präsidentschaftskandidat angemeldet. Das wird die Republikaner spalten, aber auch eine sehr große Hürde für den Anwärter Trump stellen. Wenn sich DeSantis dabei durchsetzt, wäre nicht nur der Trump-Spuk beendet, es wäre auch eine Vorentscheidung für das Präsidentenamt. Amerikaner lieben solch mutige Sieger.
US-Juristen geben unter diesen Umständen auch gerichtlichen Entscheidungen eine Chance, die Trump per se vom Amt und der Wiederwahl ausschließen. Gründe dazu gibt es ja zu Hauf, angefangen von der Unterschlagung geheimer Dokumente bis hin zur Animation, das Capitol zu stürmen, zum offenen Aufruhr gegen das Wahlergebnis. Das wäre ein deutliches Bekenntnis zu den Werten der amerikanischen Verfassung, zur Rechtsstaatlichkeit, der Abkehr von einer Führung mit Lügen und Verachtung. Die amerikanischen Wähler spürten, wie geblendet sie durch den Narzisst Trump waren. Es geht um ein Erwachen aus einem bösen Traum. Das Land sehnt sich nach einer Einigung.
Auch Europa ist mit einem blauen Auge davon gekommen. Putins Macht und Aggression hat einen deutlichen Dämpfer bekommen. Ein Angriff von EU-Ländern wird unwahrscheinlich. Hinzu kommt die Räumung von Cherson, die selbst in Moskau als Niederlage gesehen wird. Ein Aggressor kann nicht mit Diplomatie bezwungen werden. Auch Sanktionen bringen wenig, wenn wir unter der Hand russisches Gas sehr teuer kaufen. Europa verteidigt sich durch die Tapferkeit der ukrainischen Soldaten. Dazu braucht es effiziente Waffen und die Finanzierung des ukrainischen Staates. Ein zurückdrängen russischer Truppen ist das einzige Argument, auf das Putin hört. Vielleicht gelingt es uns, ab Frühjahr 23 auf Putins Gas ganz verzichten zu können. Dann schmilzt die Kriegskasse Putins, ein zweiter Wendepunkt im Ukraine-Krieg. ek