Wer in Deutschland mehr als 8 Punkte angehäuft hat, muss seinen Führerschein so lange abgeben, bis die ersten Punkte erloschen sind, in der Regel nach zwei Jahren. Die Deutschen haben sich an diese in Flensburg eingetragenen Punkte zwar gewöhnt, doch die Regelung steht einzig in Europa. Die Schweiz braucht überhaupt keine Punkte zur Sanktionierung. Österreich und Frankreich kommen mit einem stark abgeschwächten System aus. Trotzdem wird in diesen Ländern mindestens so diszipliniert gefahren wie in Deutschland. Geschwindigkeits- und Abstandsmessungen werden überall in etwa gleich viel durchgeführt. Die Schweiz galt lange Jahre als sehr teuer bei Verstößen. Mittlerweile haben aber Österreich und Deutschland nachgezogen.
Eigentlich will der Staat nicht „abkassieren“, sondern die Messungen sollen die Sicherheit und Disziplin im Verkehr erhöhen. Während in Frankreich die Messungen auf Autobahnen durch Hinweisschilder angekündigt werden, erfolgen sie in Deutschland und Österreich meist unvorbereitet und gut getarnt. Doch ist dieses Vorgehen mit dem Rechtssystem einer Demokratie noch vereinbar? Das deutsche Grundgesetz garantiert seinen Bürgern die Freiheit. Sie darf vom Staat nur aus plausiblen Gründen eingeschränkt werden. Eine flächendeckende Geschwindigkeitskontrolle wäre nur angebracht, wenn völlige Disziplinlosigkeit die Sicherheit im Verkehr gefährdete.
Es kommt noch ein rechtspolitisches Problem dazu: Früher galten 18 Punkte als Führerscheinende. Dies wurde ohne echten Grund unter Verkehrsminister Peter Ramsauer auf 8 Punkte verringert. Dabei blieben die Normen für einen Punkterhalt gleich: Wer z. B. schneller als 22 km/h über der vorgeschriebenen Geschwindigkeit fährt, erhält ihn. Dabei steigt ständig die Regelungsdichte d.h. immer mehr Autobahnstrecken sind in der Geschwindigkeit limitiert. Oft ist der Grund nicht erkennbar. Schilder werden vergessen, entfernt zu werden, wenn eine Baustelle nicht mehr besteht u.v.m. Eigentlich müsste ein Geschwindigkeitsbegrenzungsschild immer in Sichtweite sein, zumindest jeden Kilometer wiederholt werden, wenn dort gemessen wird. Das ist aber oft nicht der Fall.
Es ist auch an sich absurd, auf Autobahnen Abstandsmessungen durchzuführen, besonders bei dichtem Verkehrsaufkommen. Die verringerten Abstände führen nicht zu Unfällen. Ebensowenig, wie wenn 130 km/h bei 100-km/h-Bereichen gefahren werden. Natürlich gibt es immer ein übertriebenes Sicherheitsbestreben bei Juristen und Behörden. Aber trifft dies nicht auf alle Gesetze zu? Wenn nun von der Politik zur Entbürokratisierung gefordert wird, für jedes neue Gesetz mindestens ein bestehendes außer Kraft zu setzen, so trifft dies auch für das Punktesystem im Straßenverkehr für Deutsche zu. Viele Verkehrsrichter könnten eingespart werden und die ganze Behörde in Flensburg. Hinzu kommen viele Stunden der Präsenz von Polizisten bei Gerichten, der Bearbeitung von Einsprüchen u.v.m. Ein unnötiges Gesetz gehört gestrichen, und zwar sofort. Würde es im Wahlkampf nicht einer Partei nützen, wenn sie die Abschaffung des Punktesystems in ihr Programm aufnimmt?
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