Mit großem Aufwand ging eine Enquête-Kommission der Bewertung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr nach. Letzte Woche wurde das Ergebnis veröffentlicht. Die angestrebten Ziele seien deutlich verfehlt worden. Mit dem überstürzten Abzug sei die ganze Mission zusammengebrochen. Die Taliban wüteten danach so, wie wenn die Bundeswehr nie dagewesen wäre. Aus humanitären Gründen können die weitere Entwicklungshilfe nicht als Waffe gegen die Taliban eingesetzt werden. Die Lage ist total verfahren.
Doch so vernichtend müssen die Anstrengungen Deutschlands nicht gesehen werden: Immerhin erlebte die Bevölkerung zwanzig Jahre Normalität. Die Frauen konnten in die Arbeit gehen, die Mädchen in die Schule. Westliche Werte wurden umfangreich vermittelt. Ob die Entwicklungshilfe ausreichend war oder nicht, spielt nun keine Rolle mehr. Noch schlimmer: Die Lagebewerter sehen die Mission so, wie wenn Deutschland alleine gewesen wäre. Dabei teilten sich viele Nationen die Aufgaben. Führend agierte die USA. Von ihr ging aus, dass Terroristen in Afghanistan kein Schutz mehr gegeben werden sollte. Diese Terroristen hatten den 11. September 2001 durchgeführt, den Angriff auf die Doppeltürme des World-Trade-Centers in New York, eine Demütigung der Weltmacht. Ebenso ging der Abzug der alliierten Truppen aus Afghanistan vom US-Präsidenten aus. Die Kosten des Einsatzes wurden von ihm als zu hoch beurteilt. Vom plötzlichen Abzug wussten die deutschen Truppen nichts.
Während Kanzler Schröder sich noch sträubte, als Alliierter deutsche Truppen in den Irak zu senden, wurde beim Afghanistan-Einsatz kein Widerstand Deutschlands verzeichnet. In den Augen des US-Militärs ist Deutschland immer noch Besatzungsgebiet. Schließlich gab es nie einen Friedensvertrag. Die Stationierung von US-Truppen in Deutschland bis hin zu Lagerung von Atombomben war eine Selbstverständlichkeit. Hier spielt freilich die Einbindung in die Nato eine aktuellere Rolle, sprich Lagebeurteilung. Dadurch, dass Deutschland nicht zu einem Machtfaktor in Europa werden sollte, wurde die Bundeswehr nie wirklich auf Verteidigung ausgerichtet. Die Truppenstärke spielte eine Zahlenrolle im Ost-West-Vergleich. Deutschland sollte auf den Schutz durch die USA systematisch ausgerichtet bleiben.
Das Schlagwort von der „Verteidigung Deutschlands am Hindukusch“ war bei der Abwehr von Terroristen plausibel. Der tiefere Sinn aber bestand darin, dass die USA Deutschland verteidigten und dafür von Deutschland erwarteten, in Afghanistan ihren Beitrag zu leisten. Ob nun die 2% des Verteidigungsetats gemessen am Bruttoinlandsprodukt erfüllt waren, spielte keine Rolle. Wichtig: am Hindukusch waren die Deutschen bestens ausgerüstet. Sie konnten einen Teil des „Jobs“ ausrichten. All dies sollten die Enquête-Schlauköpfe berücksichtigen. Wir erkauften uns am Hindukusch den Schutz Deutschlands. Natürlich kam nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion diese Verteidigung nicht mehr die Bedeutung zu. Seit dem Ukraine-Krieg wissen wir, dass sich der Westen mit Putin völlig verschätzt hatte und plötzlich soll die Bundeswehr in der Lage sein, Deutschland zu verteidigen gegen russische Panzer und Drohnen.
Wenn heute die „Hessen“ sich vor dem Jemen positioniert, um die Huthis anzugreifen, wenn sie sich aufs Meer begeben, haben wir doch eine ähnliche Lage. Natürlich wird die Weltwirtschaft gestört, wenn Schiffe im Roten Meer angegriffen werden. Aber es ist eine Einmischung in den Nahost-Krieg, der ja bis in den Iran reicht. Die Huthis würden keine Schiffe angreifen, wenn nicht aus Teheran der Befehl käme. Briten und Amerikaner holen zwar zur direkten Bekämpfung der Huthis aus, doch wir stehen an ihrer Seite, wenn auch nur zur Abwehr von Angriffen. Wir haben zwar das gewünschte 2-Prozent-Ziel in den Militärausgaben erfüllt, aber damit hat sich die Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr nicht geändert. Die „Hessen“ hilft, den Schutzschirm der Nato bzw. der USA über Deutschland zu erhalten. Parallelen finden wir auch im Finanzsystem: die FED bestimmt Europa mit. Erst wenn sie anfängt, die Zinsen zu senken, darf die EZB mitziehen. Auch das gehört zur Hegemonie. Unter Trump spielt das keine Rolle mehr, die 2% Verteidigungsetat hin oder her. Des Osten Europas wird zum neuen Afghanistan mit den Russen in der Rolle der Taliban. ek
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