Der Europawahlkampf

Januar 29, 2024

In gut vier Monaten wird das Europäische Parlament gewählt. Es soll die wichtigste Wahl aller Zeiten werden. Doch es findet noch kein Wahlkampf statt. Die neue BSW hat zwar letzte Woche ihre Spitzenkandidaten bestimmt und will sie durchbringen. Auch alle anderen kleineren Parteien handelten so. Bei der EVP (CDU/CSU) wird auf die Entscheidung Ursula von der Leyens gewartet, für eine zweite Amtsperiode zur Verfügung zu stehen. Sicherlich wird hinter den offiziellen Reihen darüber diskutiert. Das letzte Mal siegte Manfred Weber als Spitzenkandidat der EVP, doch die Sozialdemokraten verweigerten eine Nominierung durch das Europäische Parlament. Manfred Weber hat diesen schweren Schlag seiner Karriere weggesteckt, sich einen Bart wachsen lassen – und unterstützte voll und ganz von der Leyen. Nur für die Landwirte scherte er von der Kommissionslinie aus. Die CSU steht auf Seiten der Bauern.

Weber trat aber letzte Woche vor die Mikrofone und stellte seine Ziele einer europäischen Verteidigung vor. Die EU soll von Putin nicht angegriffen werden. Die Wiederwahl von Donald Trump als US-Präsident wirft ihre Schatten voraus. Weber will nicht von Trump abhängig sein. Eigentlich wäre es Aufgabe der Kommission, solch eine Verteidigungspolitik zu entwickeln. Sollte Biden gewinnen, sind diese Pläne auch nicht verkehrt, nur eben nicht so dringend. Es wäre falsch, diese Erklärung als wahlaktives Manöver zu sehen. Aber Weber steht nun faktisch wie ein Spitzenkandidat der EVP dem Europa-Parlament vor. Diese Pläne, v.a. die atomare Abschreckung, müssen bis zum Januar 2025 umgesetzt sein. Wenn Trump den Ukraine-Krieg binnen einer Woche beendet, dann könnte Putin die frei gewordene Armee gegen Europa marschieren lassen.

Das Thema Verteidigung betrifft auch die Demokratie. Die AfD will sie abschaffen und aus der EU austreten. Ähnliche Strömungen gibt es in allen europäischen Staaten. In Österreich wird die FPÖ siegen. Die Niederländer und Ungarn sind bereits kritisch rechts. Die italienischen Faschisten bleiben Europa treu. Auch in Frankreich kommt Le Pen nicht an die Macht, auch wenn jede Wahl einen Nervenkitzel auslöst. In Summe sind die Rechtsradikalen stärker geworden. So müssen die Christdemokraten die Migrationsaufgabe noch besser lösen, auf die Wünsche der Bürger hören. Im Wahlkampf bietet sich die beste Plattform. Wenn hier Grenzen der Zuwanderung gezogen werden, hat dies nichts mit Rechtsradikalismus zu tun, sondern ergibt sich aus der Soziologie. Wenn für die Ukrainer eine Ausnahme eingegangen wird, dann versteht dies der europäische Bürger. Darüber hinaus muss auf die Aufnahmemöglichkeiten geachtet werden. Für Arbeits- und Fachkräfte bestehen diese Probleme nicht. Warum nehmen wir nur die auf, für die das europäische Asyl zutrifft? Dann hätten wir über 90 % der Flüchtlinge nicht im Land und auch nicht kostspielig zurück zu führen.

Ob der Klimaschutz zum wichtigsten Thema der Europawahl wird, ist mehr als zweifelhaft. Hier kann von der Leyen Erfolge vorweisen. Doch es muss der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen als Leitlinie kommen. Die Technikoffenheit kann als Maxime trotzdem beibehalten werden. Wir brauchen noch große Innovationen für den Schutz des Klimas. Dieses Thema muss von allen Parteien angegangen werden. Europa wird noch viele Milliarden investieren müssen, um den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen zu bewältigen. Aber alles läuft viel zu langsam ab. Hier müssen die Volksparteien beschleunigen. Wird sich Manfred Weber auch hier positionieren?

Die Bürokratie der EU ist legendär. Hier muss ein Gordischer Knoten durchschlagen werden. Es genügt nicht, beste Absichten zu hegen. Es braucht eine personelle oder institutionelle Lösung, die Gesetze zu verschlanken, von konkret geregelten Maßnahmen weg zu kommen und nur noch die Leitplanken des Handelns festzulegen. Bürokratie lähmt Unternehmen und Behörden. Jeder Abbau bringt eine Befreiung, setzt Kräfte frei, die dringend benötigt werden, um all diese Veränderungen zu finanzieren und zu bewältigen. Die EU-Politik muss zur Formulierung des Grundsätzlichen zurückfinden. Unnötige Bestimmungen sind zu eliminieren. Hier sollten Verwaltungswissenschaftler mehr Lösungen bringen.

Wenn wir diese Themenliste konsequent angehen, wird der Wahlkampf zur Weiterentwicklung der Demokratie Europas beitragen. Und den Rechtsradikalen das Wasser abgraben. Es muss auch im Europawahlrecht verankert werden, dass Parteien, die die EU und die Demokratie abschaffen wollen, keine Kandidaten ins Rennen schicken dürfen. ek

Foto: Marius Oprea / unsplash