Während die Gaspreisbremse munter diskutiert wird, von Parteigremien bis hin zu den Chefs der EU-Staaten, liegen noch keine öffentlichen Aussagen zur Minderung der Stromkosten vor. Jetzt wurde der Süddeutschen Zeitung ein Konzeptpapier zugespielt, das sie darlegte. So sollen alle Erzeuger von Strom die Mehreinnahmen zurückzahlen, die zwischen ihren normalen Verkaufspreisen auf Basis der Gestehungskosten und den bezahlten Entgelten aufgrund des Merit-Order-Prinzips liegen, wobei 10 % Gewinnaufschlag bei den Stromlieferanten verbleiben dürfen. Der Staat holt sich also diese „Übergewinne“. Doch für den Verbraucher und vor allem das produzierende Gewerbe würde sich an den zu zahlenden Preisen nichts ändern. Erst über Zuwendungen ähnlich der Gaspreisbremse käme ein Ausgleich.
Deutschland würde also in eine große Umverteilungsmaschinerie geraten mit allen Risiken, dass gewisse Bereiche übersehen werden und mit dem Manko großer Bürokratie. Warum wird nicht das Merit-Order-Prinzip korrigiert und der Markt könnte sich selbst regeln? Immerhin nennt der Vorschlag eine Rückdatierung zum 1. März 22, wie für die Reform der Merit-Order gefordert. Immerhin würde dieser Vorschlag dann Rückvergütungen an die Stromkunden bis zu diesem Datum logisch werden lassen. Nach vorne gedacht würde ein Haushalt oder Betrieb die horrenden Marktpreise an den Stromlieferanten bezahlen und würde gleichzeitig einen Teil davon über den Staat zurückvergütet bekommen. Dies wäre aber nie so viel, wie er bei einer Marktreform von der Zahlung befreit wäre. Dadurch bleiben die Stromkosten per Saldo hoch, zu hoch für viele.
Kanzler Olaf Scholz versicherte in seiner Regierungserklärung letzten Donnerstag, dass kein Bürger und kein Unternehmer bei den Stromkosten im Regen stehen gelassen werde. Diese Fürsorge ist zwar ehrenwert, aber kaum umzusetzen. Vielleicht gelingt es, dass der Stromlieferant die Reduktion der Preise selbst vornimmt, also der Staatszuschuss über ihn läuft? Dann bräuchte es keine Umverteilungsbürokratie und die Gutschrift käme sofort an. Dann läge der eingeschlagene Weg nicht so weit weg von einer echten Marktreform. Doch in der Praxis stellen sich doch viele Fragen. So fungiert z. B. E.ON als Stromhändler oder noch klarer wäre es bei den Stadtwerken: Sie verkaufen den Strom nur weiter. Wie soll dann die Gutschrift des Stromherstellers zum Stromkäufer kommen? Noch dazu wehren sich die Stromhersteller mit allen Mitteln, die Gewinne aus dem Merit-Order-System zurück zu bezahlen. Über eine Gutschrift an den Stromkäufer bliebe also Wunschdenken.
Vielleicht bringen all diese Probleme den Gesetzgeber dann doch zur baldigen Marktreform? Denn EEG-Umlage und andere Mechanismen aus der Gesetzgebung wurden bisher schon abgewickelt. Keiner wollte da so genau hinschauen, weil sich die Belastungen für den Einzelnen im Rahmen hielten. In Wirklichkeit war die EEG-Umlage viel höher als es die Bezuschussung der erneuerbaren Energien erforderte. Wie unverfroren mit dem Stromkunden umgegangen wird, zeigte sich in der Ankündigung, ab 1.1.23 die Netzentgelte um 20 % zu erhöhen. Dafür gibt es keine Veranlassung von der Kostenseite. Der Strommarkt wird verordnet. Marktwirtschaftlicher Wettbewerb liegt ihm fern. Selbst wenn die Preise an der Leipziger Strombörse fallen, kommen sie nie beim Verbraucher an. ek