Das 72. Hallertauer Volksfest findet ohne Einschränkungen statt, also alle Tische in der Halle dürfen mit beliebigen Personen gefüllt werden, keine Kontrollen noch Schutzmaßnahmen. Wer hätte sich das vor einem Jahr vorstellen können? Denn zweimal wurde das Volksfest abgesagt wegen der fehlenden Sicherheitslage – wie eben alle Feste in Bayern. Da trifft den einzelnen Bürgermeister keine Schuld. Durch die nun geübte Praxis geht kein Risiko aus, an Covid-19 zu sterben. Sicherlich wird es Ansteckungen geben, aber der Verlauf der Krankheit ist tolerierbar. Bayern hat die Pandemie überwunden. Und das wird so bleiben.
Seit Freitag strömen die Volksfestfans in die Mehrzweckhalle, vorbei an den vielen bunten Ständen und Fahrgeschäften. Die Schiffschaukel schaffte noch nicht den Sprung aus der Krise – das Personal reiche nicht -, da wurde eben ein neuer, größerer Biergarten geschaffen. Im nächsten Jahr werden die Karten neu gemischt. In Wolnzach kommt heuer auch Freude hinzu, daß der Streit mit den festunlustigen Nachbarn beigelegt werden konnte. Allerdings beschränkt sich die Marktgemeinde selbst. An vier von elf Abenden werden schon um 22.30 Uhr Musik und Bierausschank enden. Es wird auch nur eine Showband geben, am Freitag den 19., nämlich „Trixi und die Partylöwen“. Auch das ist verschmerzbar, besonders nach dem Nichts der Vorjahre.
Doch Bierprobe, Volksfesteinzug und erstes Wochenende verliefen wir gewohnt. Wolnzach empfängt die ganze Hallertau. Durch den Feiertag verschiebt sich die Hopfenkönigin-Wahl auf den Dienstag. Sie findet wie selbstverständlich statt, mit Kandidatinnen und dem üblichen Prozedere. Auch die Shuttle-Busse warten wie gewohnt auf die Gäste, die das eigene Fahrzeug zu Hause stehen lassen wollen. Die Budenwelt wird heuer intensiver wahrgenommen. Jede wird geschätzt. Und jede gab sich mehr Mühe im Aufbau als in den Vorjahren.
Vielleicht ist es auch gut, daß gewisse Starrheiten umgeworfen wurden. Der Abend der Betriebe fiel immer auf den 2. Freitag. Nun aber heizen „Trixi und die Partylöwen“ ein. Die Betriebe müssen sich auf andere Abende verteilen, wenn sie dem Trubel aus dem Weg gehen wollen. Vermutlich pendelt sich der Donnerstagabend ein. Der Volksfestausklang dürfte wie gewohnt in voller Länge durchgezogen werden. Bürgermeister Jens Machold freut sich auf diesen Auftritt besonders.
Das Wetter passt ebenfalls. Die extreme Hitze wich einem Altweibersommer ohne Regen und lauen Nächten. Besser geht es nicht. Die Zeitverschiebung des Hallertauer Volksfests um eine Woche entspricht dem spürbaren Klimawandel. Es bleibt eine Woche bis zum Beginn der Hopfenernte, der in den letzten Jahren auch um eine Woche geschoben wurde.
Kein Volksfest der Hallertau hat so viel Bezug zu Hopfen und zur Ernte. Auch deshalb ist es richtig, die Hallertauer Hopfenkönigin in Wolnzach zu wählen und zu feiern. Insgeheim hoffen einige, dass Gäste aus Poperinge eintreffen nach drei Jahren der Nichtbegegnung, auch wenn es heuer noch kein offizielles Programm mit der Partnerstadt gibt. Die Bierlaune kann selbst über 1.000 km beflügeln. Es wäre eine Geste der tiefen Verbundenheit, der Herzlichkeit.
Wird es gelingen, für knapp zwei Wochen alle Probleme der Welt auszuklammern? Insofern findet in Wolnzach ein Testlauf des Oktoberfests statt. Biertrinken kann auch dem Frieden gewidmet sein. Auf jeden Fall erfüllt dies die Begegnung so vieler Menschen, um gemeinsam zu feiern, ohne Gewalt und ohne Propaganda. Wieviel Frieden und Glück liegt doch in der Volksmusik, die auf der Festbühne gespielt wird. Da dürfen auch ukrainische Flüchtlinge daran teilhaben. ek