Wie kommt einer der anerkanntesten aber auch umstrittensten Künstler Deutschlands ins Deutsche Hopfenmuseum? Für Organisator Eduard Kastner ist es leicht, alle Größen der Münchner Akademie nach Wolnzach zu bringen wie Willikens, Zeniuk, Klein, Dengler oder Doberauer. Aber Lüpertz war 20 Jahre Rektor der Düsseldorfer Akademie, die große Gegenspielerin der Münchner. Der Schlüssel fand sich im Regensburger Galeristen Karl-Friedrich Krause, der in seiner „Art Affair“ schon mehrmals Lüpertz präsentierte und sogar ein Lüpertz Kirchenfenster im Regensburger St. Ulrich ermöglichte. Krause und Lüpertz wurden gute Freunde. In seinem Archiv lagern sehr viele Werke Lüpertz‘.
So lernte Kastner in einer Vernissage Lüpertz kennen und es entstand der Wunsch einer Ausstellung in Wolnzach. Doch die endgültige Zustimmung fiel im thüringischen Meiningen, wo im Dezember die Premiere der Oper „La Bohème“ von Puccini uraufgeführt wurde unter der Regie von Markus Lüpertz. Ein großes Experiment, das gelang. Lüpertz schuf auch die Kostüme und das Bühnenbild. In der Back-Stage-Party stimmte ein glücklicher Lüpertz zu, dass KF Krause eine Ausstellung in Wolnzach arrangieren dürfte. Sein persönliches Kommen war in den Raum gestellt, gilt aber mittlerweile auch alssicher, wenn auch noch nicht bestimmte ist, wann Lüpertz seine Ausstellung besichtigt.
Nur zur 1. Vernissage letzten Freitag klappte es noch nicht. Lüpertz musste in Berlin sein, um mit einer Sammlerin aus Taiwan zu verhandeln, die gestohlene Werke von Lüpertz für viele Millionen gekauft hatte. Es wird aber diesen Mittwoch eine zweite Vernissage geben mit über 350 Gästen. So etwas reizt Lüpertz ungemein. Der 81-jährige braucht auch die richtige Konstitution an diesem Tag. Doch auch ohne persönliche Präsenz verbinden Lüpertz mit Wolnzach zwei speziell für diese Ausstellung angefertigte Werke. So wurde eine Skulptur „Europa“ neu geschaffen und in Bronze und zuvor in Gips gegossen. Analog dazu entstand ein Holzschnitt mit der Europa reitend auf dem Stier in vier verschiedenen Farben.
Diese Wolnzacher Europa oder „Europa 2022“ sind nun gleich am Eingang zu sehen. Dahinter in allen vier Farben die Abzüge vom Holzschnitt: rot, rost, oliv und braun. Insgesamt 80 wurden angefertigt und signiert. 20 von ihnen musste Krause abnehmen, wobei Kastner die Hälfte auf sein Risiko verkaufen muss. Für die Bronze-Figur, bemalt vom Künstler, besteht keine Abmachung. Aber eine Käuferin zeichnete sich schon ab. In Wolnzach können Lüpertz-Sammler echte Schnäppchen finden: der Holzschnitt kostet ungerahmt 1.800 € (statt marktüblich 3.000 €), die Europa-Skulptur steht mit 6.000 € in der Preisliste. Nach der Ausstellung in Wolnzach, ab Juli 22, wird sie mit 15.000 € ausgezeichnet.
Als Ersatz für sein persönliches Kommen, nahm Lüpertz eine Video-Adresse für die Gäste in Wolnzach auf. 3 Minuten Lüpertz allein für Wolnzach! Auch einen Film über das Entstehen der Bronze-Skulptur brachte Krause mit, assistiert von seinem Sohn bei der Video-Technik mit einem riesigen Bildschirm. In Wolnzach werden so viele Lüpertz-Werke erstmals der Öffentlichkeit gezeigt, dass die übliche Zahl an Seilen und Leuchten des Museum nicht ausreichte. Krause holte in Münster persönlich den Nachschub – dem Zeitdruck geschuldet. Vier Tage arbeitete sein vierköpfiges Team am Aufbau der Ausstellung.
Die Lüpertz-Show stellt einen ersten Höhepunkt der Jubiläums-Events des WOLNZACHER ANZEIGERs, der heuer 125 Jahre besteht, zuletzt nur noch in Form der WOLNZACHER WOCHE. Drei weitere Kunstausstellungen sollen im Hopfenmuseum folgen: Angelika Michalik ab 7.7., Magical Dreams VI ab 16. bis 23 September und im November Stefan Soravia, Assistent und Schüler Ben Willikens. ek