Die Krise der Taten

Dezember 02, 2021

Die angehende Ampelregierung überrascht mit einem pünktlichen Koalitionsvertrag, ebenso zeitkonformen Abstimmungen durch die Basis und Wahl von Olaf Scholz zum Kanzler in der übernächsten Woche. Kaum zu glauben, dass die extremen Gegensätze zwischen FDP und Grünen so überbrückbar scheinen. Doch die FDP setzte sich durch bei einer geltenden Schuldenbremse, keinen Steuererhöhungen oder neuen Steuern, kein Tempolimit auf Autobahnen u.v.m., abgesichert durch die Ministerien von Finanzen und Verkehr, die an die FDPler Lindner und Dr. Wissing gehen. Von der SPD kam Pragmatismus. Mit dem Signal des Mindestlohns von 12 € im nächsten Jahr hatte Olaf Scholz sein Wahlkampfversprechen durchgesetzt – hier gab die FDP viel nach –, während Renten und Mieten sowieso zu komplex sind, um echte Ziele in klare Wahlkampfaussagen packen zu können.

So läuft nun mal Politik. Die Machtgeilheit, an die Regierung zu kommen, einigte die Unterhändler der drei Parteien. Bei der SPD sorgte das sensationelle Ergebnis für die Überwindung der Regierungsmüdigkeit aus der großen Koalition. Die SPD will den Kanzler stellen und gibt dafür FDP und den Grünen viel Raum zur Selbstverwirklichung. Diese Koalition durfte einfach nicht scheitern. Wer den Koalitionsvertrag liest, staunt wie wenig Konkretes darin steht. Auch die Finanzrechnung der angestrebten Maßnahmen fehlt. Es wird viel gewünscht, aber die Realisierung und ihre Finanzierbarkeit wird verschoben in die reale Politik. Die Inhaltslosigkeit des Wahlkampfs schlägt bis zum Regierungsprogramm durch. Andererseits werden potentielle ideologische Störenfriede wie Anton Hofreiter vom linken Flügel der Grünen, gleich mal nicht zugelassen. Die Realos der Grünen setzten sich durch. Nur sie können mit der FDP.

Es kommt also zu keinem Systemwechsel, wovon die Wirtschaft Angst hatte. Der Klimaschutz ist ja bei allen mittlerweile angekommen. Es geht also nur noch um das Wie. 80 % regenerative Energie liest sich bei den Grünen als Windkraft und Solarenergie, während die FDP durchaus neue Energiequellen erwartet. Ohne sie wäre eine Stabilität des Stromnetzes nicht zu schaffen. Den Import von Atomstrom aus den Nachbarländern können Baerbock & Habeck nicht tolerieren, noch dass sie Gas als Lösung wollen. Diese Zwickmühle kann nur durch große Innovationen überwunden werden. Das eint FDP und Grüne. Doch die Wirtschaft will wissen, wann diese Innovationen kommen und wie sie aussehen.

Das Abschalten der Kohlekraftwerke und das Einstellen des Verbrennungsmotors sind aus Sicht des Klimaschutzes absolut nötig – wenn es keine Innovationen gibt. Sie könnten aber gerade dazu führen, dass mit Verbrennern für das Klima gearbeitet wird, wenn billige Bio-Kraftstoffe in Einsatz kommen, denen nach der Verbrennung das CO2 genommen wird. Das aber widerspricht der herrschenden Physik. Es wird also spannend bleiben. Es kann nur die Fusionsenergie eine (teurere) Alternative bieten. Sie soll nächstes Jahr kommen.

Wir befinden uns in einem hochvoltigen Spannungsfeld zwischen der dringenden Notwendigkeit von noch unbekannten Basisinnovationen und den Wünschen/Forderungen des Koalitionsvertrags, resultierend aus Vermeidung des Klimawandels und Erhalt der ernährenden Volkswirtschaft. Doch auch die deutsche Wirtschaft läuft in diese Krisenkonstellation. Es gibt zwar Handlungsanweisungen, doch die reichen nicht aus, um den Klimawandel zu beeinflussen, geschweige denn das 1,5 Grad Ziel noch zu erreichen. Die Konferenz von Glasgow lässt dies offenkundig werden. Kafka-artige Zustände? Die Kroteque wird bald die Ausdrucksmittel von Film und Kultur erreichen. Oder sprechen wir doch schon von einem Alptraum? Der Koalitionsvertrag spiegelt auch diese Ohnmächtigkeit wider.

Die neue Regierung wird sich von der Fridays-for-Future-Bewegung messen lassen müssen. Sie setzte voll auf die Grüne. Die Verringerung des Wahlalters auf 16 soll den Grünen in die Arme spielen. Aber wie lange werden sie noch deren Partei sein?

ek