Die Tanne vor dem Rathaus ist so groß und leuchtet wie alle Jahre. Auch die Weihnachtsbeleuchtung vertreibt die Schwere der langen Nächte. Eine Illumination wie gewohnt gab es aber nicht. Der erste Einschaltvorgang wurde nicht gefeiert. Inzwischen haben alle ihre Weihnachtsmärkte abgesagt. Die stationären Einzelhändler bangen um ihren Weihnachtsumsatz. Das trifft zwar mehr die großen Städte, aber einen prozentualen Anstieg verbuchte bisher auch der Wolnzacher Einzelhandel im Advent. Nun wollen die Gewerbetreibenden wenigstens am Samstag mindestens bis 16 Uhr ihre Geschäfte offenhalten. Alle hoffen, dass sich die Stimmung bei den Kunden nicht noch mehr verschlechtert. Was nützen geöffnete Läden, wenn keiner kommt?
Der Markt Wolnzach versucht sein Bestes, dass sich vorweihnachtliche Stimmung im Markt ausbreitet. Der Adventskalender wird durchgezogen. Vor dem Rathaus wurde eine Weihnachtsinstallation aufgebaut inklusive
dem Christkind-Telefon. Wir dürfen auf Überraschungen des Christkinds im Marktservice hoffen. Wie wäre es mit Weihnachtsmusik rund um den Marktplatz? Und schließlich wird am 10. Dezember der Impfstoff von BioNTech zugelassen. Ab 15. Dezember wird geimpft. Auch in der Kreisstadt. Eine Art Christkind der Medizin zur Beendigung der Corona-Krise. Das wird auch die Stimmung heben. In den Familien wird Weihnachten gefeiert. Auch Gottesdienste bleiben. Bei der Christmette werden die Plätze nicht reichen. Dass heuer keine Feuerwerke erwünscht sind, ist verschmerzbar. So richtig fröhlich kann in dieser Zeit niemand zündeln.
Der Bund der Selbständigen hat eine Umfrage bei seinen Mitgliedern eingeholt. Bei 40 % der geschlossenen Betriebe herrschen Existenzängste, bei weiteren 42 % wird die Lage als schwierig bewertet. Vorsitzende Gabriele Sehorz versandte einen Brandbrief an die Politik und Ortvorsitzenden. Auch bei denen, die vom Lockdown nicht betroffen sind, gingen die Umsätze um 32 % zurück. Im November wird das Minus auf 43 % geschätzt. Auch hier sehen 18 % ihre Lage als existentiell bedroht, bei weiteren 30 % mit schweren Belastungen. Doch was nützt das Jammern? Es muss gute Miene zum Krisenspiel gezeigt werden. Die Kunden sollen sich in den Geschäften wohl fühlen. Immerhin sind sie Hort der Normalität. Jedes Geschäft ist ein Geschenk.
Ende des Jahres wird Schreibwaren Bäck schließen, ein bestens sortierter Laden. Wer wird dann Zeitungen und Zeitschriften anbieten? Ein Rossmann kann nicht die Kinder zum Schuljahresbeginn komplett ausstatten. Wir werden also in die Städte fahren müssen. Oder wird Amazon herangezogen? Der Verlust dieses „Kulturladens“ wird uns erst so richtig bewusst werden, wenn wir vor verschlossenen Türen stehen. Wir können uns nur damit trösten, dass Schreibwarengeschäfte auch in München nur noch schwer zu finden sind. Welchen Luxus hatte Wolnzach. Genießen Sie den Einkauf dort bis zum letzten Tag.
Für Einzelhändler in den Städten wird es immer kritischer. Die Corona-Krise veränderte ihr Geschäft strukturell. Amazon wird bei seinen Rekordumsätzen verharren, auch nach der Krise. Wir werden aber auch das Einkaufserlebnis bewusster wahrnehmen, das Shopping noch mehr genießen. Die Realität schafft dabei Überraschungen. Im Internet kommt es kaum zu spontanen Käufen. Vielleicht merken wir auch hier zu spät, was uns mit dem stationären Handel abhanden gekommen ist. ek