Die Konjunkturaussichten, wie wir sie in unserer letzten Ausgabe aus dem Markit-Einkaufsmanager-Index ableiteten, spiegeln sich auch in den Aktienkursen. Auch wenn sie durch die Überliquidität der Notenbanken in einer „Blase“ stehen, so halten sie sich eigentlich stabil. Dabei werden alle möglichen Zukunftsereignisse miteingepreist, wobei die Psychologie kräftig mitschwingt. Wegen des drohenden harten Brexits müsste großes Unbehagen im Markt und in den Aktien liegen. Warum fehlt es? Kann es sein, dass intern doch von einer pragmatischen Lösung ausgegangen wird? Etwa einer Verlängerung des Status quo um ein weiteres Jahr? Premier Boris Johnson scheint an einer gütlichen Einigung mit der EU nicht mehr interessiert zu sein. Andererseits geht der irische Premier noch davon aus, dass binnen eines Monats ein weicher Brexit noch zu schaffen wäre.
Die Märkte nehmen offensichtlich Johnson nicht mehr ernst. Vielleicht gibt es wirklich ein internes Papier, in dem das weitere Vorgehen beschrieben ist. Oder die EU nimmt an, dass Großbritanniens Wirtschaft einen harten Brexit unter Corona nicht verkraftet. Ein harter Brexit liefe nur wenige Monate. Dann müsse Johnson – oder bis dahin schon sein Nachfolger – zurückrudern. Das bedeutet auch eine klare Abschreckung für alle, die liebäugeln, es den Briten gleich zu tun. So würde die Macht Brüssels gegenüber Polen und Orban steigen. All diese Aspekte spielen herein, wenn Berlin im Europaratsvorsitz zu wenig vor einem harten Brexit warnt.
Sicherlich hat die ständige Anspannung aus der Corona-Epidemie das Brexit-Thema relativiert und alle cooler werden lassen. Aber an Dramatik GB-EU werden wir bis zum 1.1.21 noch sehr viel erleben.
Der Vorsitzende des Wirtschaftsbeirats Bernd Huber kommt viel bei den heimischen Unternehmen herum. Seine Lagebeurteilung zählt. Da die ganze Breite der Wirtschaft betroffen ist, schätzt Huber die Lage viel gefährlicher ein als bei der Weltfinanzkrise 2008. Durch das Aussetzen der Insolvenzordnung mindestens bis Ende des Jahres herrsche künstliche Stille. Katastrophal sei die Lage bei Solo-Unternehmen und in der Kreativwirtschaft. Existenzbedrohend läuft es in der Gastronomie, Hotellerie und im Tourismus. In Pfaffenhofen soll der Moosburger Hof einen neuen Pächter bekommen. Der Maschinenbau und die Metallbetriebe verzeichneten einen Umsatzrückgang von 25 – 40 %, wobei sich laut Huber bis zum Jahresende die Lage verschlechtern dürfte. Andere Branchen des verarbeitenden
Gewerbes hätten Einbußen von 25 – 30 %. Das Kurzarbeitergeld sei schon eine deutliche Entlastung. Es wird aber auf dem Rücken des Mitarbeiters und des Steuerzahlers ausgetragen.
Huber sieht aber auch, dass das Handwerk in allen Sparten – und vor allem im Bauhandwerk – die Krise kaum spüren. Er lobt auch die Unternehmerlandschaft im Landkreis: Ein breiter Branchenmix, keine große Abhängigkeit von der Automobilindustrie, getragen von vielen mittelständischen und vor allem hoch innovativen Familien- und Inhabergeführten Betrieben. In Nischenbereichen seien beachtliche Hidden Champions darunter. Einige Unternehmen konnten sogar Zuwachsraten verbuchen. Sie haben ihre eigene Firmenkonjunktur. So liegen Licht und Schatten eng wie kaum zuvor beieinander.
Die Sparkassen und Volksbanken im Landkreis staunen, dass es praktisch keine Kunden gibt, die einen Tilgungsaufschub bei Darlehen fordern. Es sei viel gute und gesunde Substanz vorhanden, die nun vieles abfedere. Sie kennen auch die BWAs und Kontenstände: Schieflagen seien durch die Coronakrise nicht hinzu gekommen. Ein Runder Tisch zur Rettung von Unternehmen wie in 2008/09 sei noch nicht nötig. Da größtenteils zur Normalität zurückgekehrt wird, gäbe es keinen Grund für übertriebenen Pessimismus. Diese Erfahrungen bestätigen die Handwerks- sowie die Industrie- und Handelskammer. Auf der anderen Seite rechnen fast alle an der Wirtschaft Beteiligten mit einer Durststrecke bis Ende 2021. Doch diese Lagebeurteilung nach den schlimmsten sechs Monaten ermutigt.
Und wie sieht es bei Audi aus? Das Unternehmen will sich mit einem Ausblick nicht in die Öffentlichkeit wagen. Der starke Abbau an Stellen bei den Zulieferern und nun auch bei MAN sprechen aber für sich. Hier sind die Probleme auch 2021 noch nicht vom Tisch. Die Einführung und Umsetzung von echten Innovationen, besonders auf die Nachhaltigkeit bezogen, sind Gebot der Stunde. ek