Abschirmungsmechanismen

April 27, 2020

Die Absage des Oktoberfests letzte Woche traf die bayerische Seele schwer. So
logisch diese Entscheidung aus Ausbreitungsaspekten auch ist, sie zeigt uns erst, wie tief diese Pandemie greift. Ökonomisch geht diese Veranstaltung mit all ihren Aufwendungen für Flüge, Übernachtungen, Shopping etc. in die Milliarden. Noch schlimmer aber zählt, das Ausbleiben von Gastlichkeit, von gemeinschaftlichem Singen und Trinken, Schunkeln und Genießen. Ein kritisierbarer Massentrubel rund ums Bier, aber nun dieser Absturz ist noch viel schlimmer. Auch das Ausbleiben des Hallertauer Volksfests und der kleinen Wiesn in Wolnzach trifft uns – wir fallen in einen Zeitstillstand, der uns wie in einem Traum vereinnahmt. Wir verstehen nun Tod und Ohnmacht in der Krankheit. Wie in einem Alptraum rennen wir auf der Stelle. Und das nach erst fünf Wochen des Ausnahmezustands!

Wie lange wird er noch anhalten? Wenn wir die Aussagen von Bundeskanzlerin Merkel und des neuen Duos Söder-Kretschmann genau aufnehmen, dann steht
eines fest: Dieser Zustand endet erst, wenn ein Impfstoff weltweit gewirkt hat. Die hohe Ansteckungsgefahr wird durch diese Impfungen verhindert. Das ist die Voraussetzung für ein Leben, wie wir es vor der Corona-Krise als selbstverständlich erachtet haben. Wann wird diese Impfung der ganzen Welt kommen? Viele meinen, erst in 2021. Aber wir können nicht Gaststätten, Theater, Kinos, Cafés und Bars so lange geschlossen halten. Die Schausteller und Dult-Fieranten wissen freilich jetzt schon, dass 2020 für sie Totalausfall bedeutet.

Wenn die Grenzen geschlossen bleiben – und darauf haben uns Merkel und Söder bereits vorbereitet – wird es keinen Tourismus nach Österreich, Italien, Mallorca und Spanien, Griechenland und selbst Frankreich geben. Für den Süden Europas fallen so Tourismus, Hotels, Ferienwohnungen, Campingplätze, Restaurants und alle Versorgungseinrichtungen aus – von der Tankstelle, der Bergbahn bis hin zum Shopping. Das geht in viele Milliarden. Das wissen wir also schon heute. So verhandeln die Regierungschefs der EU um Hilfen. Ob diese Billionen ganz unten auch ankommen? Die Geschäftsschließungen stürzenHauseigentümer/Vermieter in die Krise, ebenso Banken, die die Kredite abschreiben müssen. Sicherheiten verlieren in der Krise an Wert. Das erlebten wir ab 2009 in Spanien.

Nun ist auch der Konsumindex der Nürnberger GfK ins Bodenlose abgestürzt. Die Inlandsnachfrage stützte die Konjunktur, die durch die Automobilindustrie sonst ins Stocken geraten wäre. Ja, das Ifo-Institut hat richtig gerechnet: ein Ausfall von zwei Monaten bedeutet nun mal ein Sechstel oder 16,7 % der Wertschöpfung. Es muss weitere Lockerungen geben, die Flugzeuge werden wieder fliegen – mit allen Passagieren in medizinischen Masken –, aber allein die Einhaltung der Abstandsregelungen kostet schon viel Zeit für die Einhaltenden. Für die Groß-Gastronomie rechnet sich nur eine Auslastung über 80 %. Sicherlich werden wir im Tragen von Masken immer perfekter und konsequenter hygienisch – aber über eineinhalb Jahre das durchhalten? Der ganze Erfolg gegen Sars-CoV-2 beruht derzeit auf Isolierung – per Maske, per Abstand, per Besuchs- und Ausgangsverbot, per Grenzschließung. Erschöpft sich das Virus in der Verbreitung? Erliegt es sommerlichen Hochtemperaturen? Wir können es nur hoffen. Die Wissenschaft liefert leider keine Aussagen, obwohl sie doch so einfach wären. Sie will den Leichtsinn verhindern, der die Vereinzelung gefährdet. Bei Sars-CoV-2 haben wir es mit einem Feind zu tun, dem man keinen Spielraum geben darf. Wie bei einem Abstieg auf Geröll muss eisern das Aufkommen von Geschwindigkeit des Absteigenden verhindert werden. Ja, wir hängen in den Seilen. Das wissen also Wissenschaft und Politik. Es ist nur eine Frage, wie es dem Volk, den Bürgern, beigebracht werden kann. Söder und Merkel entschieden sich für die Salami-Taktik. Jeden Tag wird ein weiteres Teil des Übels verkündet.

So muss der Mindestabstand bei Bewegung vergrößert werden. Im Lauf liegt er so bei 10 Metern. Masken können beim Joggen schlecht gefordert werden. Die Bundesliga geht als Sport weiter vor leeren Rängen. Alle Zuschauer sitzen vor der Glotze. Wenn sich Spieler anstecken, scheiden sie aus. Der Rest der Mannschaft spielt weiter. Eine Infektion mit 30 Jahren bedeutet ja kein Todesurteil. Vielleicht erreichen wir unter Fußballern die geforderte Herdenimmunität gegen Sars-CoV-2? Unter der Not der Dinge werden alle froh sein um Impfungen im alten Stil, die schnell zugelassen werden können. Wie in der Bundesliga werden sie durchgewunken werden. Tote Clubs sind auch Tote. ek