Die Depression

April 20, 2020

Prof. Dr. Clemens Fuest ist nicht nur Chef des Münchner Ifo-Instituts, er zählt zu den besten Wirtschaftswissenschaftlern Deutschlands. Seine Analysen
berücksichtigen alle bekannten Einflussfaktoren. Zugleich verfügt das Ifo-Institut mit seinen monatlich erhobenen Konjunktureinschätzungen der größeren Unternehmen über ein Big-Data-Analyse-Instrument, bei dem es vor allem um die Veränderungen geht. Wenn nun dieses Institut unter Führung von Prof. Fuest eine Korrektur der Wachstumsprognosen von -4,2 % auf -18 % vornimmt, so handelt es sich um den größten Hammer für Bayern der jüngsten Wirtschaftsgeschichte.

Aus den USA kommen die Zahlen der Arbeitslosen. Derzeit sind rund 22 Mio. Amerikaner ohne Job mit steigender Tendenz. Ähnlich den Infektionszahlen ist mit einer Verdoppelung der Arbeitslosen zu rechnen. So viele gab es noch nie in der amerikanischen Wirtschaftsgeschichte. Natürlich muss die Dramatik relativiert werden: Wenn die US-Wirtschaft wieder anläuft, z.B. ab September 20 wird wieder kräftig eingestellt. So werden nur noch ein Zehntel der Arbeitslosen in einem Jahr bestehen, ähnlich der Kurzarbeit in Deutschland. Andererseits werden rund 10 % der Unternehmen direkt oder über die Folgejahre die Corona-Krise nicht überleben. Es sind die ertragsschwachen, die nicht genügend erwirtschaften, um die Liquiditätshilfen zurückbezahlen zu können.

Doch bleiben wir bei Bayern. Die Schwächung der Weltwirtschaft bedeutet geringere Exporte. Da Bayern die Hälfte seiner Produkte im Ausland absetzt, werden rückläufige Verkäufe uns noch länger begleiten. Kredite werden notleidend und die Banken müssen sie ausbuchen. Die Steuereinnahmen werden stärker zurückgehen und so wird auch weniger von der öffentlichen Hand investiert. Das trifft die Bauwirtschaft, zumindest den Tiefbau. Allein der Ausfall des Oktoberfestes beschert ein Minus von zwei Milliarden, verteilt auf Brauereien, Hotels, Fluggesellschaften, Einzelhandel etc.. Sinnvolle Diskussionen über den Klimaschutz werden noch mehr zurückgedrängt als bisher. Die Folgeschäden daraus hat das Ifo-Institut noch gar nicht einbeziehen können.

Wenn diese Zahlen in den Köpfen ankommen, wird wieder ein Absturz der Börsen eintreten. Der Dax hatte sich zu schnell erholt. Das wird nun nicht mehr der Fall sein. Die Zukunftsfähigkeit vieler Großunternehmen wird von den Anlegern stärker hinterfragt werden. Nach der Schockzahl des Ifo-Instituts brauchen wir nun Modelle zur Minimierung des volkswirtschaftlichen Schadens. Das klassische Konjunkturprogramm mit Gießkannen-Staatsausgaben über alle Unternehmen wird überholt werden von gezielten Strukturhilfen. Die Abwrackprämie bei Neuwagenkauf wirkte vor 12 Jahren Wunder. Aber heute noch in Verbrenner zu investieren, stößt auf. Für Elektroautos nützten die Zuschüsse auch vor der Krise nichts.

Um so länger eine Branche wegen der Epidemie aussetzen musste, desto mehr muss ihr geholfen werden. Das reicht vom Zusammenbruch von Lieferketten und reicht bis Schließungen wie z.B. von Kinos und Gaststätten. Die Wirtschaftswissenschaftler sollten nicht nur gezielte Hilfen vorschlagen, sondern auch die Meinungshoheit behalten. ek