Die Welt taumelt

Dezember 30, 2019

Das Phänomen „Fridays-for-Future“ ist einmalig. Da verweigern Jugendliche ein Fünftel ihres Unterrichts, erhalten keine Bestrafung dafür, ja Lehrer stellen sich ihnen gar zur Seite, viele protestieren mit. Es kann also nicht daran liegen, dass alle Beteiligten nicht wüssten, wogegen sich der Protest richtet. In der Tat haben wir ein Phänomen vor uns, das es so in der Geschichte der Menschheit noch nicht gab: Der Mensch bzw. die Menschheit ging so sträflich mit der Umgebung um, dass sie sich unwiederbringlich verändert und dadurch viele Millionen ihr Zuhause verlieren werden, unter sehr erschwerten Bedingungen überleben und viele Tiere und Pflanzen bei diesen Katastrophen mit untergehen.

Dagegen nehmen sich die üblichen Menschheitskonflikte wie Krieg und Vertreibung, KZ und Unterdrückung wie Bühnenstücke aus, vom Atomkrieg einmal abgesehen. Doch die Prozesse laufen nicht plötzlich ab. Sie ziehen sich über viele Jahrzehnte hin. Die Menschheit passt sich also laufend an, rückt zusammen, teilt sich das verbleibende Land. Doch es kommt auch zu Verteidigungskämpfen und Völkermorden. Die Apokalypse findet in Zeitlupe statt. Wir konnten in der Geschichte eine Aufwärtsbewegung feststellen, einen Fortschritt der Kultur – diese wird sich womöglich umkehren?

Historisch steuert die Menschheit auf eine Überbevölkerung zu, auch wenn weite Gebiete der Erde noch unbewohnt sind. Aber das sind die Wüsten und sie breiten sich aus wie die Meere ansteigen. Leider genügt ein Menschenleben nicht, diese Veränderungen zu erfassen, zu erleben. Venedig und allen anderen Küstenstädten ergeht es in 150 Jahren ebenso. Die Sahara reicht dann von der Mittelmeerküste bis Zentralafrika. Solche Berechnungen gibt es heute schon. Seitdem die Wissenschaft sie durchspielt, erkennt sie, dass 4 Grad zusätzlicher Welterwärmung die Hölle bedeuten würde, aber auch 2 Grad plus „viele Einschränkungen bedeuten und ei bei 1,5 Grad plus“ gerade noch erträglich ist. Doch diese 1,5 Grad-Marke haben wir letztes Jahr gerissen. Nach der Konferenz von Madrid können wir davon ausgehen, dass wir es auch nicht mehr herstellen können.

Hier kommt ein neues Phänomen auf: die Veränderungen laufen so langsam ab, dass Politiker und sonstige Meinungsführer sie außer Acht lassen können. Die Kurzsichtigkeit bildet sich im Populismus eines Trump oder Bolsonaro ab. Es fehlt an der Welträson, an der gemeinsamen Einsicht. Noch! Welteinrichtungen werden sie bald in ihre Schranken weisen. Leider gehen in der Geschichte solche Einsichten nur mit großem Leid einher. Oder steuern wir einem klügeren Globus zu? Einem, der erkennt, ohne es vorher erleiden zu müssen? Die Fridays-for-Future-Weltbewegung gibt uns Hoffnung. Und es besteht auch vieles, das wir so verändern können, dass wir das 1,5-Grad-Ziel wieder erreichen und es halten können. Doch wir müssen heute handeln, uns zusammenschließen und uns friedlich verständigen. Es liegt auch eine große Entwicklungschance in den Optionen. Die Menschheit steht vor ihrer größten Herausforderung seit ihrer Geschichte. ek