Doch eine gute Ernte

November 18, 2019

Eigentlich äußert sich der Klimawandel sehr langsam, doch wenn er vollzogen, sagen wir lieber fortgeschritten ist, dann bleibt keine Zeit. Mit dieser Realität muss sich auch die deutsche Hopfenwirtschaft abfinden. Forschung und Alternativen brauchen Zeit, die aber so knapp wird, dass die Abhilfe zu spät kommt. Zugleich schwenkt der Staat mit Legislative und Judikative in die Biowirtschaft. Die Landwirte fühlen sich von der Politik allein gelassen oder in die Buh-Ecke gestellt. Die Macht der Bauernverbände bröckelt: Die Bienenretter haben die Rolle des (guten) Davids eingenommen. Der „Goliath Bauernverband“ verliert seinen Einfluss auf die Politik. Aus dem Förderer wird ein Bittsteller. Genauso ergeht es gerade allen Landwirten.

Klimawandel und Verlust der Biodiversität hängen nur in einem gewissen Maße zusammen. In beiden Fällen ist aber unser „Way of Life“ daran schuld, insbesonders die Art wie wir Landwirtschaft betreiben: mit Herbiziden, Pestiziden u.v.m., aber auch zu intensiver Bodennutzung. In diese Kerbe schlagen nun die staatlichen Einrichtungen, indem sie vielen Spritzmitteln die Wiederzulassung verweigern und die Chemieindustrie sich aus teurer Forschung zurückzieht. Die Natur entwickelt ihre Gegenmittel als Resistenzen, nun hat die Gesellschaft ihre Forderungen auf gesetzlichem und verwaltungstechnischem Wege umgesetzt. Und das in Zeiten des schwächelnden Bauernverbands. Konventionelle Bauern müssen nun Anleihen beim Pflanzenschutz der Biobauern holen. Letztlich geht es aber um eine Ertragsminderung und damit eine Flächen- und Arbeitsmehrung die geforderte Menge zu erwirtschaften.

Diese zwei Faktoren prägten die Pressekonferenz von Pflanzerverband und Handel auf der Brau Beviale letzten Mittwoch. Die Welthopfenfläche legte weiter zu. In Deutschland besteht mit 20417 ha ein Allzeitrekord. Auch wenn Peter Hintermeier als Sprecher des Hopfenwirtschaftsverbands (Handel und Veredler) dies kritisierte, da aus seiner Sicht schon mehr Hopfen produziert werde als benötigt, sortenbezogen freilich mit starken Unterschieden. So besteht Bedarf an Perle und Tradition. Wer hätte dies vor Jahren gedacht? Trotzdem herrschen am Freihopfenmarkt sehr hohe Preise. Die schmerzen Hintermeier umso mehr, als aus den Alphawerten der Ernte 2019 die sog. Alphaklausel nicht anzuwenden ist und der Handel das Alphadefizit auf seine Kosten auszugleichen hat. Denn das Gesamtalpha liegt doch mit 700 t unter der Nachfrage. Hier liegt der Grund für die hohen Preise.

Pflanzerpräsident Adi Schapfl spricht von einer guten Ernte: Es wurden 48400  t (+ 15,8 % zu 18) in Deutschland abgewogen bei fast durchschnittlichem Alpha. Für die Pflanzer erfüllen sich alle Einkommenswünsche. Von den letzten fünf Ernten hatte nur eine eine bessere Alphabilanz. Mit den schwindenden Pflanzenschutzmitteln und der weiter herrschenden Trockenheit und Hitze im Juni bis August steht den Pflanzern ob der Ernte ´19 die Freude im Gesicht. Was wäre gewesen, wenn die Niederschläge ab Ende Juli ausgeblieben wären?

Jeder weiß, welche schwere Zukunft vor dem deutschen Hopfenbau liegt und dass es nur wenige Lösungsansätze gibt. In den USA besteht seit langem künstliche Bewässerung. Dort konnte ´19 eine wirklich gute Ernte eingefahren werden. Die Amerikaner ernteten 45 % des Welthopfens. Interessanterweise folgt Deutschland mit 39 %, was doch auch auf eine gute Ernte schließen lässt. Auch die Flächendifferenz liegt bei 6 %. Die USA führten sogar für 39,4 Mio. t deutschen Hopfen ein. Wir aber immerhin 24,4 Mio. t für Hopfen aus den den USA, was die Verflochtenheit der Weltwirtschaft bezeugt. Wenn Hintermeier eine Überproduktion befürchtet (um den Preis schlecht zu reden?), dann wird übersehen, dass die Lager viel zu klein sind, besonders in Anbetracht der jährlichen Ernterisiken. Diese Lager können aber nur aus Überproduktion angelegt werden. Natürlich ist eine vorsichtige Flächenausdehnung zu empfehlen, aber auf die Bremse kann man erst treten, wenn eine schlechte Ernte aus Vorräten gerettet werden kann. Gerade die Preisentwicklung zeigt doch, dass „der Markt“ genauso denkt, also von Pessimismus bei der Ernte 2020 getragen wird. ek