Die CDU/CSU waren angetreten, in der Migrationspolitik eine Kehrtwendung einzuleiten. Im Land erregen die vielen Asylsuchenden Ablehnung. Es wird beklagt, dass abends in den öffentlichen Verkehrsmitteln weniger als die Hälfte noch Einheimische sitzen. Die AfD wurde zur zweit stärksten Partei in Deutschland. Den Nachbarländern ergeht es nicht anders. In Österreich ruft die FPÖ „Ausländer raus“. Überall erstarken rechtsradikale Parteien. Kriege und der Klimawandel führen zu einem Flüchtlingsstrom, der eher stärker wird. Millionen sind aufgebrochen, im wohlhabenden Europa ihr Heil zu suchen. Eigentlich entstand ein europäisches Problem, das aber zu lange nicht effektiv angegangen wurde. Der Schutz der Außengrenzen war mangelhaft. Pushbacks waren nicht erlaubt. Das Flüchtlingsproblem bekam Sprengkraft für die Demokratie. Die meisten rechtsradikalen Parteien, die erstarkten, sind nicht nur ausländerfeindlich, sondern auch antidemokratisch und antieuropäisch.
Wenn schon nicht diese rechtsradikalen Parteien wegen Verfassungsfeindlichkeit verboten werden sollen, kann nur gegen die unkontrollierte Einwanderung vorgegangen werden. Die EU hat inzwischen ein Konzept, das mit den Grundrechten vereinbar ist, wie Manfred Weber letzten Montag erklärte. Friedrich Merz nahm die Toten von Aschaffenburg zum Anlass, die Einwanderung nach Deutschland durch einen Gesetzesentwurf zu unterbinden. Mit der Schnelligkeit und Radikalität wollte er zeigen, dass die CDU/CSU zu einer Kehrtwende in der Asylpolitik in der Lage ist. Es war ein Handeln im Affekt. Der Gesetzesentwurf hatte gravierende Mängel: Er verstieß gegen deutsches und europäisches Recht und gemessen am verfügbaren Personal war er auch undurchführbar. Gesetzgeberisch war er also unhaltbar.
Natürlich jubelte die AfD. Der Gesetzesentwurf hätte von ihr stammen können. Die vollumfängliche und geschlossene Zustimmung der AfD war ihm sicher. Da hätten in der CDU/CSU die Alarmglocken schellen müssen. Womöglich wollte Merz der AfD mit dieser neuen Migrationspolitik die Protestwähler nehmen? Hätte er das nicht auch schon erreicht, wenn er am Freitag staatsmänisch den Gesetzesantrag zurückgenommen hätte? So zogen Abgeordnete der CDU und FDP durch ihre Stimmverweigerung die Notbremse. Das Gesetz scheiterte. Der Wahlkampf trug sicherlich dazu bei, dass Merz selbst keinen Rückzieher vornahm. Das Scheitern spielt nun aber der SPD, den Grünen, BSW und den Linken in die Karten. Aus dem Angreifer Merz wurde ein sich Verteidigender, ein Getriebener. Auch CDU/CSU sind beschädigt, weil sie auf Merz keinen Einfluss nahmen und mit ihm mehrheitlich stimmten. Es bestand überhaupt keine Not, im Wahlkampf so einen Gesetzesentwurf einzubringen. Wäre er durchgegangen, wären CSU/CDU dann glücklich gewesen? Am Makel der AfD Zustimmung wäre nie Freude aufgekommen. Ein mit den Stimmen der AfD gewählter CDU-Ministerpräsident wurde einst gezwungen, nach zwei Tagen zurückzutreten.
Noch ist nicht abzusehen, ob der AfD durch die neue Migrationspolitik der CDU/CSU Wähler entzogen werden. Alice Weidel wurde zur Kommentatorin des scheiternden Merz in fast allen Medien. Die Migrationspolitik Merz´ ist mit dem Scheitern behaftet. Der Wähler wird den Richtungswechsel belohnen, aber auch die politische Unfähigkeit bewerten. Merz ist in seiner Führungsrolle in die Kritik gekommen, vor allem in den eigenen Reihen. Ist Merz in der Wirtschaftspolitik noch Garant für die Wende? In den Koalitionsverhandlungen wollten CDU/CSU dem Partner ihre Politik aufzwingen. Das geht nun nicht mehr. Merz muss um einen Partner betteln. Ob aus den nächsten Umfragen schon ersichtlich ist, welche Folgen der letzte Freitag für die Parteien hat? Ob die Art des Fragens zu einem objektiven Ergebnis führt? Womöglich wird erst der 23. Februar die Wahrheit bringen. ek
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