Es ist immer gut, Referenten zu haben, die weder parteipolitisch gebunden sind, noch es nötig haben, sich wichtig zu machen. Ein solcher ist Dr. Thomas Enders, früher Chef von Airbus, heute Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Enders: „Ich bin aus der Airbus-Zeit dafür bekannt, wenig diplomatisch zu sein, den Politikern ihre Wünsche zu verweigern, wenn sie Airbus geschadet hätten“. Er sprach letzten Mittwoch vor dem Wirtschaftsbeirat in Tegernsee. Es war nicht schwer, ihn als Redner zu gewinnen, denn er wohnt in Tegernsee. Er reiste mit dem Fahrrad an. Dann sprach er über die Sicherheitslage Europas und der Bundesrepublik und nahm kein Blatt vor den Mund.
Einmal herrsche Krieg in Europa. Die Ukraine verteidigt sich gegen einen Aggressor der keine Skrupel kennt. Wenn diese Front fällt, würde Putin weitere Länder angreifen, die einst Teil der Sowjetunion waren: Georgien, Moldawien und das Baltikum. Unter Trump würde selbst bei den baltischen Natomitgliedern die USA wegschauen. Auf die Frage des Wirtschaftsbeiratsvorsitzenden des Oberlands, Anton Stettner, ob das sinnlose Morden in der Ukraine nicht zu beenden sei, wenn keine Seite gewinnen könnte, erwiderte Enders: Wir haben keine Wahl, als die Ukraine bestmöglich in ihrer Verteidigung zu unterstützen. Auch wenn dies über viele Jahre ginge. Solange lässt sich ein Krieg unmittelbar gegen die EU hinausschieben. Putin, schon über 70, lebt nicht ewig, auch wenn keiner heute abschätzen könne, wer sein Nachfolger wird.
Wir müssen uns also darauf einstellen, noch Hunderte von Milliarden an Waffen in die Ukraine zu liefern, besonders, wenn Trump dies nicht mehr leisten wolle. Trump wird in seiner zweiten Amtszeit wesentlich radikaler vorgehen. Sein Augenmerk gilt dem Kräftemessen mit China. Wenn Europa sich nicht genügend selbst verteidigen könne und deshalb die USA benötigen, wird sich das Trump bezahlen lassen z. B. dass auch die Europäer hohe Zölle gegen China errichten müssten bzw. sich aus dem chinesischen Markt zurück zu ziehen hätten.
Europa schläft. Während Putin die Hälfte der russischen Volkswirtschaft für den Krieg produzieren lasse, schafft es die EU und insbesondere Deutschland nicht, die Kriegswirtschaft ausreichend hoch zu fahren. Es läge auch an der Beschaffungsbürokratie der Bundeswehr, wenn alles so lange dauert. Hinzu kommt ein sehr schlechtes Verhältnis von Scholz zu Macron. Bei Scholz führt sein Zaudern dazu, dass sie Ukrainehilfe immer zu spät und zu gering ausfällt. Scholz gehöre deshalb abgelöst. Deutschland träume von einem Frieden, den es nicht mehr gibt. Die Bevölkerung habe den Ernst der Lage nicht begriffen. Von Merkel wurden ein völlig falsches Russland- und Putinbild vermittelt. Auch Merkel trage große Verantwortung für die derzeitige Lage. Nordstream II zu bauen, war von den baltischen EU-Mitgliedern, Polen und die Ukraine stark kritisiert worden. Dennoch setzte sich Merkel darüber hinweg. Und nun sei alles kaputt bzw. Milliarden fehlgeleitet worden. Auch die Bundeswehr wurde sträflich vernachlässigt. Von den USA werden schon 4% des BIPs als Verteidigungsetat Deutschlands diskutiert. Macron sieht die Lage wesentlich realistischer als Scholz. ek
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