Politikversagen?

August 24, 2021

Es geht hoch her in den Medien und in Berlin: Das Retten von Deutschen, Helfern und Verbündeten, ja allen Fliehenden aus Kabul, wird zum Live-Krimi und zur Suche nach Schuldigen. Wer kann es den Medien verdenken, dass sie vor Ort sich einbringen, das Drama zu senden – auch wenn es öffentlich-rechtliche Anstalten sind mit Pflichtbeiträgen? Auf der anderen Seite bringen sie Meldungen, die falsch sind, weil der Zusammenhang bzw. die Zuordnung weggelassen wird. So schiebt Außenminister Maas die Schuld auf den deutschen Auslands-Geheimdienst, der die Lage falsch einschätzte. Dieser erklärt, er habe schon seit Jahren vor einem Zusammenbruch Afghanistans gewarnt. Eine solche Exkulpation greift freilich nicht, wenn eine ganz konkrete Situation zu beurteilen ist. Auch wenn kein Wahlkampf wäre, müsste der Sender die Aussagen relativieren.

Es wird auch verdrängt, dass es alle Nato-Staaten trifft, die sich in Afghanistan engagierten und das Hauptgewicht bei den USA liegt. Sie entschieden, ihre Truppen abzuziehen. Wir als Anhängsel folgten diesem Beschluss. Dass die afghanischen Helfer nach Deutschland zu bringen sind, um ihrer Verfolgung durch die Taliban zu entgehen, war seit Monaten klar. Doch die Aufnahme in Deutschland wurde bewusst blockiert – offiziell von den Bundesländern – und zwar allen. Die Helfer hätten schon längst in Sicherheit gebracht werden können. Nun holt uns die Realität ein.

Noch schlimmer, wer nun überrascht ist, dass die Taliban das komplette Land einnehmen. Das war schon unter Trump geregelt. Wer angenommen hatte, dass die teuer ausgebildete und bestückte afghanische Armee sich den Taliban entgegen stellte, lebte ebenfalls außerhalb der Realität. Als unsere Truppen noch vor Ort waren, hätte dies ja getestet werden können und es wäre sofort klargeworden, dass ein echter Verteidigungswille nicht gegeben war. Die Angst der Truppe vor den Taliban war zu groß und der Einsatz des eigenen Lebens war so nicht gerechtfertigt. Womöglich gab es solche Einsichten bei den Nato-soldaten vor Ort, aber sie wurden nicht kommuniziert. Die US-Politik hat Afghanistan wie seinerzeit Vietnam aufgegeben. Damals hätten die humanitären Konsequenzen für die afghanische Bevölkerung diskutiert werden sollen. Das fand nicht statt. Die Medien schilderten den ordnungsgemäßen Truppenabzug – mehr nicht. Der Weitblick wurde ausgeblendet, um den Truppenabzug nicht in Frage zu stellen. Diese fehlende Verantwortung müssen sich Medien und die Politik vorhalten lassen.

Die aufgeschreckte deutsche Bevölkerung wird natürlich auch als Druckmittel eingesetzt. Es scheint ja mit der Übernahme der Fliehenden am Kabuler Flughafen nicht so recht zu funktionieren. Unsere Bundesregierung zückt schnell das Scheckbuch, um die Deutschen zu beruhigen. Besser wäre natürlich eine funktionierende Organisation in Kabul. Warum fliegen die Bundeswehr-Maschinen so wenig und mit nur halber Auslastung? Diese Fragen stellt aber niemand. Es wird die Lage auch bewußt dramatisiert. Überraschenderweise lassen die Taliban die Fliehenden an den Flughafen. Dahinter stehen Abmachungen z.B. aus den Verhandlungen in Doha. Wir können so viele Flüge durchführen, um alle zu retten. Theoretisch wären dies allein durch die deutsche Bundeswehr über 4000/Tag. Mit den anderen Nationen kämen wir 50000/Tag. Wo liegt also das wirkliche Problem? Wir sollten uns also bei der Nase packen und es in Berlin suchen.
Wenigstens hat Innenminister Seehofer den Helfern einen Sonderstatus verliehen. Sie zählen nicht als Asylanten.

Schon sind wir beim Flüchtlingsproblem in Deutschland. Die AvD wacht mit Argusaugen, wieviele wirklich bei uns eintreffen. Bis zur Wahl besteht also ein echtes Problem für CDU und SPD. Deshalb sollen Gerettete zwischengelagert werden, womöglich in Usbekistan. So finden wir doch noch die Scheckempfänger der Sondermillionen. Deutschland wird also immer noch am Hindukusch verteidigt. Doch das Unbehagen bei den Wählern wird damit nicht beruhigt. Scholz führt einen Wahlkampf neben der SPD. Von Laschet ist fast nichts zu hören. Er ist immer noch mit Nordrhein-Westfalen vollauf beschäftigt, ohne den Sonderfall wie seinerzeit Schröder für sich zu nutzen. Da hätte sich Deutschland eine starke Führung gewünscht. Wen wundert es, dass die Prognose für die CDU fällt? ek