Im Wahlkampf

Januar 22, 2025

Mittlerweile sind alle Kandidaten für den nächsten deutschen Bundestag nominiert. Die Wahlzettel können in den Druck gehen. Womöglich wird es aber länger dauern, bis Briefwahlunterlagen bei den Bürgern eintreffen. Wenigstens werden sie nicht durch irgendwelchen Papiermangel behindert. Auch die Parteiprogramme stehen. Die CSU dachte noch vorletztes Wochenende im Kloster Banz darüber nach. Es ist auch einiges im Fluss. Aus den USA kommen jeden Tag Ankündigungen Trumps und seiner Berater, auf die reagiert werden muss. Die winterlichen Temperaturen lassen öffentliche Auftritte zur Herausforderung für Wahlkämpfer und Zuhörer werden. Plakatkleber mühen sich bei Minusgraden ab. Doch Plakate bleiben ein bestimmendes Medium. Inzwischen kämpfen alle großen Parteien gegen alle anderen. Es muss kräftig ausgeteilt werden, obwohl jeder weiß, dass es wieder eine Koalition in der nächsten Regierung geben muss.

Derzeit sonnen sich CDU und CSU in guten Umfragewerten. Aber aus vielen Wahlergebnissen muss gelernt werden, dass diese Umfragen meist nicht die Realität bei den Wählern abbilden. In vier Wochen kann sich auch viel ändern. Doch viele befürchten, dass die AFD doch zweitstärkste Partei wird. Am 23. Februar werden wir sehen, inwiefern Trump und Musk der AFD geholfen oder geschadet haben. Womöglich wird in den USA bis dahin schon offen über Remigration gesprochen.

Eigentlich müsste sich der Wahlkampf aller demokratischen Parteien gegen die AFD wenden. Wer kein Verbot der AFD will, ist gefordert, im Politischen sie zu schlagen. Die CDU will die Einwanderung einschränken und Sozialleistungen für Asylsuchende mindern. Für eine größere Diskussion über das Asyl bleibt freilich keine Zeit. Sind Flüchtlinge aus kriegsführenden Ländern immer Asylanten? Warum trifft auf sie das Bürgergeld zu?

Völlig offen bleibt die Bestrafung der Parteien der Ampelregierung durch den Wähler. Die FDP kämpft um ihr Überleben im Bundestag. Kanzler Scholz gibt sich im Wahlkampf ganz anders als in den drei Jahren davor. Es spielt auch Realpolitik mit: Er verweigert der Ukraine 3 Milliarden €, obwohl selbst die FDP behauptet, dass das Geld vorhanden wäre. Der wahre Grund kommt aus den USA: Was Trump vorhat, ist Scholz bekannt. Trump wird den Waffenstillstand sehr schnell erzwingen. Auch die Briten verhalten sich wie Scholz. Interessant, dass alle Leitfiguren der Ampelregierung nun auch die Kanzlerkandidaten wurden. Als Nebenfiguren treten Söder und Baerbock auf, einmal aus dem Machtanspruch des Bayern, andererseits für die Frauen ein Trostpflaster, da alle vier Kandidaten männlich sind. Aus Sicht der CDU wäre es aber am besten, wenn Söder bis zur Wahl keine Statements abgibt. Zumindest ist das Wahlplakat schnell verschwunden, auf dem sich Merz und Söder gemeinsam empfehlen. Der tiefere Grund lag vermutlich darin, dass beide nicht gerade vertrauensvoll wirken. Söders neuer Bart kann in Live-Auftritten mit Charme und Rhetorik überspielt werden: auf dem Plakat verstellt er Söder. Merz blickte zu intellektuell und nicht warmherzig.

Kein Wunder, dass dieses Plakat schnell von Schändern angegangen wurde (siehe oben). Auf dem neuen Wahlkampfplakat der CDU wurde Söder weggelassen und Merz blickt viel sympathischer. In persönlichen Begegnungen kann von Söders Bart weggeschaut werden. Auf einem Plakat ist das unmöglich. Schon einmal beeinflusste ein Wahlplakat signifikant das Wahlergebnis. Als sich Beckstein der Wiederwahl als Ministerpräsident stellte, zeigte das CSU-Plakat ihn zusammen mit Erwin Huber. Beide blickten ernst und zeigten sich als alte Männer. Sie hatten das Motiv selbst ausgewählt und kein Wahlkampfhelfer traute sich, es ihnen auszureden. So wurde Beckstein durch den Wahlausgang zum Rücktritt gezwungen.

Wie sehen uns gerade Scholz, Harbeck und Lindner an? Alle bedienen nur ihre Stammwählerschaft. Wie sollen die anderen ihnen das Regieren noch zutrauen? Ausgerechnet die AFD schickt eine Frau ins Rennen. Die AFD will ihre Radikalität damit verschleiern. Wir können nur hoffen, dass Alice Weidel auf dem Plakat nicht sympathisch wirkt. Hubert Aiwanger kam in die Nachrichten, als er forderte, Tschechen und andere EU-Bürger an der Grenze zurück zu schicken, wenn sie sich in Deutschland niederlassen wollten. So plump lässt sich aber die AFD nicht das Wasser abgraben. Noch dazu übersieht Aiwanger das EU-Recht der Freizügigkeit aller seiner Bürger. Offensichtlich verblieb keiner Partei genügend Zeit für ein zugkräftiges Wahlprogramm, noch es wirksam vorzutragen. Es herrscht Wahlkampf „as usual“. Für eine Schicksalswahl ist das schlicht zu schlecht und zu wenig. Aus der Wahl am 23. Februar muss ein klarer Führungsauftrag hervorgehen, der bis Europa reicht und eine Antwort auf Trumps Rechtsradikalität gibt. ek

Foto: Eduard Kastner