Es gingen schon viele Schreckensmeldungen über den BayWa-Konzern durch die Presse. Letzte Woche wurde ein Sanierungsgutachten veröffentlicht, nachdem vorgegangen werden soll: 1.400 Stellen, vor allem in der Münchner Verwaltung, sollen gestrichen werden bis 2027, unrentable Filialen werden geschlossen und international tätige Firmen wieder verkauft. Die BayWa kehrt zurück zu ihren Ursprüngen, heute bestehend aus den vier Säulen Agrar, Bauen, Energie und Technik. Nach der Pensionierung des langjährigen Vorstandsvorsitzenden Prof. Klaus-Josef Lutz und Rücktritt als Aufsichtsratsvorsitzender wurde Lutz die Schieflage in die Schuhe geschoben. Er zieht es mittlerweile vor, nur mit Anwälten zu Terminen rund um die BayWa zu kommen.
Doch Prof. Lutz hat noch ein zweites Leben: als Präsident der IHK für München und Oberbayern. Wird die BayWa-Krise Lutz dieses Amt kosten? Keinesfalls! Prof. Lutz sieht – ähnlich dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron – keinen Grund für einen Rücktritt. Vor und in der letzten Vollversammlung der IHK nahm Prof. Lutz zu den Vorwürfen gegen ihn Stellung. Danach waren auch in der IHK alle Bedenken ausgeräumt.
Prof. Lutz führte die Baywa 15 Jahre lang. Jedes Jahr wurde mit ordentlichen Gewinnen abgeschlossen. Unter Lutz wuchs der Konzern nicht nur kräftig, er wurde zum Global-Player. Die Baywa ist heute der fünftgrößte Agrarhändler der Welt. Über viele Jahre wurde Markus Pöllinger als Nachfolger von Prof. Lutz aufgebaut. Die Befähigung wurde vom Aufsichtsrat eingehend überprüft. Mit dem Ausscheiden von Prof. Lutz aus dem Vorstand, übernahm Pöllinger seinen Posten. Doch dann trat etwas ein, was keiner geahnt hatte: Pöllinger war der Verantwortung und der Komplexität dieser Aufgabe nicht gewachsen. Er bekam „Höhenangst“. Als Prof. Lutz dies wahrnahm, wollte er als Aufsichtsratsvorsitzenden ihn entlassen. Doch Prof. Lutz konnte im Aufsichtsrat keine Mehrheit gewinnen. So trat Prof. Lutz mit sofortiger Wirkung zurück. Damit begannen die Banken das Vertrauen in die Baywa zu verlieren. Prof. Lutz: „Die Baywa war immer zu 100% fremdfinanziert.“ Doch die Assets, also die Aktiva, überwogen die Schulden weit, also der Bestand an Immobilien, Ware, Geschäftsbetrieb und Liquidität, weshalb es doch einen Eigenkapitalanteil geben müsste.
Wer auf das Vertrauen der Banken angewiesen ist, muss es pflegen. Prof. Lutz verstand dies immer prächtig. Sein Nachfolger schwächelte, versuchte, seinen Vorgänger das Versagen in die Schuhe zu schieben. Inzwischen wurde Markus Pöllinger doch entlassen. Sein Posten wird seitdem von einem Sanierer ausgeübt, der aber kein Vorstand ist. Sanierer denken nicht in Märkten, sondern in Kosten und Verkaufserlösen. Dass nun mit dieser Gangart die Baywa überlebt, spricht für ein trotz alledem stabiles Unternehmen. Natürlich blutet Prof. Lutz das Herz, wenn vielen erfahrenen Mitarbeitern gekündigt wird und die Baywa die Rolle als globaler Agrarhändler einbüßt. Vieles werde schlecht geredet, was natürlich den Verkaufspreis schädigt. Aber eines muss Prof. Lutz schon angelastet werden: Die Aufgabe zum Aufbau eines Nachfolgers lag bei ihm. Dass diese Nachfolge in die Hosen ging, hat Prof. Lutz mit zu verantworten. Der Baywa erging es also nicht anders als manchem Mittelständler, wenn der langjährige, erfahrene Seniorchef ausscheidet. ek
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