Verwerfungen

Oktober 14, 2024

Der derzeitige Pessimismus der deutschen Wirtschaft rührt her aus der Kaufkraftzurückhaltung der Verbraucher im Inland – vor allem aus der Verunsicherung durch die Ampel-Regierung, Kriege in der Ukraine und in Nahost, AfD-Erstarkung und mangelnde Zuversicht. Aus dem Ausland kommen zu wenig Bestellungen für unsere Produkte. Doch beide Faktoren müssten nicht eine Schrumpfung der Wirtschaft hervorrufen – den anderen europäischen Ländern stehen besser da. Zwar geht es bei diesem Negativ-Wachstum nur um Beträge nach dem Komma, aber es verstärkt die schlechte Stimmung in der Wirtschaft.

Doch es gibt auch andere Faktoren für den Rückgang an Zuversicht. Die Automobilindustrie setzte voll auf Elektromobilität, der Heizungsbau auf die Wärmepumpe. Doch die Autokäufer entschieden anders und der Wirkungsgrad der Wärmepumpen wird zunehmend als zu gering erkannt, verstärkt durch den Rückgang am Neubau. Fazit: Es war immer falsch, den Kunden/Verbraucher/Käufer nicht ernst zu nehmen. Er entscheidet über einen Auftrag oder eben keinen. Die meisten sind auch nicht darauf angewiesen, nun ein neues Auto zu bestellen. Dann wird das bisherige eben um 1–2 Jahre länger gefahren. Im Fachjargon kann von einer Markt-Verwerfung gesprochen werden: Der Markt hat sich schlagartig geändert. Es werden wieder Diesel und Benziner gekauft, weil sie wirtschaftlicher sind. Der Klimaschutz steht sowieso nicht vorne an.

Wir müssen aber auch eine Verwerfung am deutschen Arbeitsmarkt feststellen. Aus der Corona-Krise verstetigten sich Verhaltensmuster. Mitarbeiter werden weiter vom Arzt am Telefon krankgeschrieben. So haben wir gerade eine Rekordkrankmeldungsrate. In der Rezession fällt eh weniger Arbeit an. Da kann auch blau gemacht werden. Noch deutlicher hält sich Homeoffice: die Mitarbeiter genossen das Arbeiten von Zuhause aus – die vermehrte Freizeit miteingeschlossen. Dies wollen sie nun nicht mehr zurücknehmen. Im Fachkräftemangel kann sich der Mitarbeiter dies herausnehmen. Es muss allerdings festgestellt werden, dass die Produktivität damit abnimmt. Manche Firmen werden sogar dadurch „unregierbar“. Reformen zum Überleben sind nicht mehr darstellbar.

Wenn dann noch hohe Tarifabschlüsse oben drauf kommen, dann wird die Arbeit in Deutschland in vielen Bereichen zu teuer. Treffen diese Kosten auf einen Rückgang des Umsatzes, stellt sich die Standortfrage: Soll nicht besser im Ausland investiert werden? Das bedeutet aber auch eine Bestätigung der Negativeffekte am Arbeitsmarkt. Das Homeoffice hat sich wie ein Late-Corona in den größeren Betrieben ausgewirkt. Es wird immer schwerer, vor Ort Leute anzutreffen. Die einen kommen gar nicht – und niemand weiß dies – andere gehen nach der Mittagspause nach Hause. Wie soll daraus eine konstruktive Zusammenarbeit zur Problemlösung kommen?

Dabei brillierte Deutschland mit seiner hohen Arbeitsproduktivität. Daraus konnten soziale Annehmlichkeiten wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall finanziert werden, hohe Löhne und hohe Lohnnebenkosten, die den Staat stützten. In vielen Bereichen ist die Arbeitsproduktivität zurückgegangen. Eine Schieflage aus Absatzeinnahmen und Kosten folgt daraus. Durch die Handlungsunfähigkeit der Unternehmen aus der Abwesenheit seiner Mitarbeiter kann diese Krise nicht behoben werden. Es ist lange her, dass Unternehmen Motivatoren anheuerten oder Seminare zur Produktivitätssteigerung finanzierten. Eine Konfusion macht sich breit wie sie dem Scheitern des Turmbaus von Babel nachgesagt wird. Alles läuft einfach weiter. Eine Führungsschwäche. Auch von der Ampel-Regierung muss dies festgestellt werden. Weder der Kanzler noch sein Stellvertreter können die Deutschen umstimmen. Der Wagen der deutschen Wirtschaft ist nach einem Schlingerkurs in den Graben gefahren. Wer zieht ihn heraus? ek

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