Am Mittwoch stellte der Deutsche Hopfenpflanzerverband die Ergebnisse der Schätzkommission vor. Präsident Adi Schapfl erklärte sie eingehend, assistiert vom Hauptgeschäftsführer Dr. Erich Lehmair und Geschäftsführer Gabriel Krieglmeier, der Mitglied der Schätzkommission ist. Nach dem sehr schlechten Hopfenjahr 2022 schlug der Klimawandel auch in 2023 durch: von Mitte Mai bis Ende Juli fehlten die für das Wachstum wichtigen Niederschläge. So wurden weniger Seitentriebe entwickelt. Die Hopfen schossen schlank in die Höhe. Die Niederschläge von Ende Juli bis heute beregnen die Pflanzen, so dass gesunde Dolden geerntet werden. Doch die Menge dürfte um 10% unter einer durchschnittlichen Ernte liegen, sprich für die Hallertau 35 250 to (705.000 to) und in ganz Deutschland bei 41 110 to (822 202 to).
Die Schätzung war so schwierig wie noch nie, da sich die Bestände sehr unterschiedlich zeigen. Im Norden der Hallertau regnete es in der Wachstumsphase weniger als im Süden. Die künstliche Bewässerung (20% der Fläche) brachte wesentlich besser entwickelte Pflanzen und damit rechnet sich der Aufwand über einen besseren Ertrag. Noch wichtiger als eine exakte Ertagsvorhersage stellen sich die Alphawerte dar. Sie holten in den letzten Tagen kräftig auf. Schapfl erklärte Einflussfaktoren auf eine gute Alphaentwicklung wie z. B. Nachttemperaturen unter 20°C oder geringere Stickstoffversorgung aus den Böden. Ein geringeres Wachstum der Pflanzen beließe mehr Stickstoff im Boden, wodurch das Alpha geschwächt würde, also ein Doppelschaden aus fehlender Bewässerung. Um so später geerntet wird, desto höher der Alphagehalt. Frühe Sorten würden ab 1. September geerntet. Doch mehr Wissen über die Faktoren zur Alphabildung müsse von Hüll noch erarbeitet werden. Für 23 wird mit einem durchschnittlichen Alpha gerechnet.
Die Unwetter der letzten zwei Wochen haben auf die Schätzung keinen Einfluss. Einmal richtete der Hagel keinen nennenswerten Schaden an. Der Sturm riss zwar einige Anlagen ein. Diese Mengen seien aber zu gering. Schapfl blickte freilich auch auf die Konkurrenz. In Europa fällt die Ernte ähnlich wie in Deutschland aus. Die US-Hopfenpflanzer rodeten Aromahopfen und legten dafür vermutlich 1500 ha Hochalphasorten ein. Die Craftbiere in den USA stagnierten im Umsatz. Kostenüberlegungen ließen genauer auf die Ausgaben für Aromahopfen blicken, so dass der Überhang an Aromahopfen auch zu einer Preiseinbuße führte. Der Hochalphahopfen sei für den Weltmarkt gedacht. Hier sieht Schapfl ein schwindendes Vertrauen der großen Braukonzerne in die Versorgungssicherheit der Hallertau.
Damit wird die Forderung nach künstlicher Bewässerung aller Hopfenanlagen übermächtig. Während es früher alle 10 Jahre ein Trockenjahr gab, wurden die Trockenjahre gerade zur Normalität. Natürlich waren neue Sorten möglich, die mit Trockenheit und Hitze besser zurechtkommen, doch die Brauer müssten sie auch kaufen. Bei neuen Sorten gäbe es immer große Überraschungen, wenn sie in die Menge und Jahre gingen. So werden in den „Titan“ große Hoffnungen gesetzt. Allerdings bringt er gegenüber dem Herkulen keinen Kostenvorteil wie er z. B. gegenüber dem Magnum besteht. Über den Alphaertrag des Titans wisse man zu wenig.
Trotz zweier schlechter Hopfenjahre in Folge besteht für die Versorgung des Weltbiermarkts keine Gefahr. 2022 war durch die Überproduktion von 2021 voll gedeckt, ja, es bestünden noch Vorräte für 2023 bzw. das darauffolgende Sudjahr. Doch sie werden nicht nötig sein, bestenfalls bei bestimmten Sorten. Die um 10% unterdurchschnittliche Erntemenge pro ha. multipliziert sich mit der Gesamtfläche der Hallertau, die gleichgeblieben ist bzw. so groß wie nie zuvor ausfällt. Würde eine durchschnittliche Ernte ausfallen, käme es zu einer Überversorgung, zumal der Weltbierausstoß stagniert. Auch wenn der Vorvertragsmarkt der Hallertau seit Felmar ´23 zum Erliegen gekommen ist, so stabilisiert die Ernte ´23 den Markt. Der Preis wird gleichbleiben, da jeder geerntete Zentner benötigt wird, aber auch nicht mehr. Die Unsicherheit der Schätzung ist durch die Restbestände von 2021 gedeckt.
So hält die Hallertau genau die richtige Fläche für die Nöte aus dem Klimawandel. Erst wenn 50% der Fläche ausreichend bewässert werden, ist an eine Reduktion der Fläche zu denken. Die Unwetter mit Hagel im August kommen als neue Risiken hinzu. So könnten kurz vor der Ernte noch 20-30% ausfallen. Lagerhaltung bleibt Gebot der Stunde. ek