1,5-Grad-Ziel gerissen

Juli 10, 2023

Es war absehbar, dass die Vereinbarung von Paris nicht gehalten werden konnte: Die ganze Welt sollte alle Anstrengungen darauf richten, dass der menschenverursachte Temperaturanstieg nur 1,5 Grad betrage. Wegen der El-Nino-Konstellation in diesem Jahr beschleunigt sich der Temperaturanstieg. Nun meldeten drei US-Forscher, dass nach ihren Berechnungen die 1,5-Grad-Temperaturerhöhung bereits heuer erreicht ihr. Nach den allgemeinen Berechnungen sind dies sieben Jahre früher. Was besagt diese Feststellung, die freilich noch nicht amtlich bestätigt werden konnte: Ab nun dürften weltweit keine CO2-Emissionen mehr erfolgen. Alle Berechnungen über Klimaneutralität bis zum Jahre 2050 oder ambitioniert 2045 sind obsolet. Ihre Erreichung ist zwar positiv, wird aber in der CO2-Ausstoß-Summe uns bei mindestens 2,5 Grad Temperatursteigerung ankommen lassen.

Prof. Schellenhuber vom PIK-Institut erklärt gerne die Folgen des Temperaturanstiegs anhand der menschlichen Körpertemperatur. Sie beträgt im gesunden Zustand 36,5 Grad C. Bei 1,5 Grad Erhöhung, also bei 38 Grad C, ist der Mensch krank. Bei 39 Grad C schon schwer krank, und bei 39,5 Grad C wird es lebensbedrohlich. So ergeht es dem „Körper Erde“ mit der Temperaturerhöhung. Auf Dauer halten wir kaum 38 Grad aus. Alles darüber zerstört unsere Zivilisation.

Alle Maßnahmen der Grünen zum Klimaschutz wollen nur Klimaneutralität erreichen, also keinen weiteren CO2-Ausstoß: Elektromobilität, Solarenergie, Windkraft, grüner Wasserstoff und Wärmepumpen. Diese 5 „Heilsbringer“ aber können das 1,5-Grad-Ziel nicht zurückbringen. Es bedarf Maßnahmen, großen Hebeln, CO2 aus der Atmosphäre zu nehmen, und zwar all das CO2 das ab heute in die Atmosphäre durch unsere menschlichen Verursacher abgegeben wird. Waldbrände gehen auch auf dieses Konto. Bei den 5 „Heilsbringern“ wird nur CO2-Neutralität erreicht, wenn sie zu 100 % umgesetzt würden – weltweit. Daran erkennen wir, dass diese Maßnahmen zwar positiv wirken, aber den Temperaturanstieg über 1,5 Grad hinaus nicht verhindern können. Wir müssen mit ihnen arbeiten, aber es genügt hinten und vorn nicht. Wir rennen trotz diesen „Transformationen“ ins Verderben, ins Feuer.

Diese Wahrheit muss eingeschenkt werden. Doch technische Innovationen könnten diesen riesigen Berg an CO2-Mehrausstoß wieder kompensieren, auch wenn es Zeit erfordert. So könnten eine gigantische Zahl an Bäumen gepflanzt werden – um so schneller, desto besser –, die das CO2 zusätzlich aufnehmen. Es müssten dann alle Wüsten der Erde kultiviert werden und ein Drittel der Fläche mit Bäumen bepflanzt werden, um diese Waldmenge zu erreichen. Auch jedes Abholzen, gerade im Amazonas-Gebiet, ist zu unterbinden. Alle Waldbrände müssen unter Kontrolle gebracht werden. Doch all dies reicht nicht. Es würde nur zwei Drittel des derzeitigen CO2-Ausstoßes kompensiert – wenn die neuen Wälder schon 10 Jahre bestünden.

Es bedarf also noch eines weiteren großen Hebels: Die Aufspaltung von CO2 mit relativ geringer Energie. Wenn alle Kohlekraftwerke und die Zementherstellung damit CO2-neutral würden, brächte das nur eine CO2-Neutralität, die freilich wichtig ist. Vielmehr müssen alle Verbrenner zu fahrenden oder fliegenden Bäumen werden: Sie verwenden CO2-neutralen Kraftstoff, irreführenderweise synthetischer Kraftstoff oder E-Fuels genannt, und spalten nach der Verbrennung das CO2 auf. Ohne diesen Klimaschutzeffekt in großem Maßstab eingesetzt, werden wir das 1,5-Grad-Ziel nicht mehr erreichen. Dies müssten Wissenschaftler Habeck & Co. endlich einmal erklären. ek