Innovations-Klemme

April 24, 2023

Alljährlich nimmt eine Expertenkommission von sechs Professoren zur Lage Deutschlands bei Forschung und Innovationen Stellung, abgekürzt EFI. Das Gutachten wird zuerst dem Bundeskanzler vorgestellt und mit den Ministerien diskutiert. In die Öffentlichkeit gelangt es über einen Vortrag in München des Vorsitzenden der Kommission, Prof. Dr. Uwe Cantner, Jena, und der bayerischen Expertin, Prof. Dr. Carolin Häussler, Passau, Ein Stab von 16 ganzjährigen Mitarbeitern unterstützt die Professoren. Allein das gedruckte Gutachten umfasst heuer 138 Seiten. Die Erarbeitung erfordert ein Vielfaches an Zeit. Andererseits muss dieser finanzielle Aufwand auch einen Ertrag bringen: Dass die Politik die aufgedeckten Schwächen erkennt und bestmöglich versucht, sie zu beseitigen.

So kritisiert Prof. Cantner, dass die „Zeitenwende“ bei den Innovationen, gerade bezogen auf den Klimaschutz und die daraus nötigen Transformationen aller Bereiche, noch nicht stattgefunden hat. Die Politik formulierte schöne Bilder, Visionen, doch unterließ, Wege dazu einzuleiten, die Realisierung anzuschieben. Deshalb fordert der Expertenrat eine neue Governance-Struktur, einen Zukunftsausschuss auf Staatssekretären-Ebene, um in der Umsetzung voran zu kommen. Gerade die Digitalisierung sei ein gutes Beispiel, wie weit Deutschland zurück liege, ohne dass sich etwas bessere. Die Wirtschaft müsse voll eingebunden werden. Nur sie könne realisieren. Aber auch die Verwaltung müsse reformiert werden, damit Prozesse beschleunigt werden.

Zum Abbau von Innovationshemmnissen empfehlen Cantner und Häussler, Reallabore verstärkt einzusetzen und klare Regeln für die Datenökonomie zu schaffen. Künstliche Intelligenz (KI) benötigt zur Programmierung „Big Data“. Dies müsse in Deutschland zugelassen werden, ohne dass dabei Persönlichkeitsrechte verletzt würden. Immer wieder fiel die Forderung, „missionsbezogene Roadmaps“ zu erstellen. Die Transformation sei in jedem Feld vielschichtig anzugehen. Doch werden die Lösungen nicht ideologisch geprägt sein? Prof. Cantner fordert Technologieoffenheit wie derzeit die FDP. Es tue gut, auch auf andere Nationen zu schauen, wie sie die Probleme bewältigen.

Nach vielem Frust über die Unfähigkeit der Ampel-Regierung, Lösungen herbei zu führen, brachte das Gutachten aber auch ein positives Beispiel: Deutschland hole in der Raumfahrt auf. Aus ihr kommen viele Innovationen, auch für die übrige Wirtschaft. So könne Europa auf diesem Gebiet mit den USA mithalten, wobei Großbritannien zurück gefallen ist und in Frankreich eher ein geringeres Wachstum der Patentanmeldungen festzustellen ist. Was die Professoren nicht erwähnten: Der Hauptantrieb der europäischen Raumfahrt kommt aus Bayern.

Die Kommission empfiehlt, Technologiemärkte einzurichten wie sie in den USA üblich sind. Auf ihnen finden Erfinder, meist Mittelständler, und Weiterentwickler, meist größere Firmen, zusammen. Die USA kennen Patentmakler, die das „Matching“, das Zusammenfinden, professionalisieren. Bei der Überwindung des Fachkräftemangels blieben die Vorschläge der Experten freilich beschränkt. Da der Vortrag in der Handwerkskammer unter Mitwirkung der IHK stattfand, war dies ein Tragen von Eulen nach Athen. Die Diskussion uferte so schnell aus. Doch eines kann festgehalten werden: Ausländische Fachkräfte müssen viel schneller zu uns kommen können. Die Verwaltung darf diese Art der Zuwanderung nicht mit der Asylregelung vermengen.

Erstaunlich erscheint jedes Jahr das Fach- und Detailwissen der Professoren. Sie sitzen nicht im Elfenturm. Die Politikschelte ist ernst zu nehmen. Deutschland fällt gerade zurück, auch wenn die Wirtschaft viel stärker ist als sie sich in den Medien findet. Innovationen müssen kommuniziert werden – oder noch besser, von der Wirtschaft gleich umgesetzt werden. Das Bekenntnis zur freien Marktwirtschaft ist nötiger denn je. ek