Die Strommarktreform

September 26, 2022

Nach guten Ansätzen von Habeck und von der Leyen ist es wieder ruhig geworden um die Abkoppelung des Strompreises vom Gaspreis. Im deutschen Markt bekommt jeder Stromhersteller so viel bezahlt, wie der teuerste Anbieter benötigt. Das sind die Gaskraftwerke. Bei den anderen Herstellern stellen sich aus der Differenz entsprechende Gewinne ein. Durch die Vervielfachung des Gaspreises nach Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine ergeben sich über 170 Mrd. € Gewinne bei den anderen Lieferanten. Die Überlegung, diese Über-Gewinne abzuschöpfen, entbehrt einer klaren gesetzlichen Grundlage. Der Grund für die Kapitulation bei der Reform des Strommarkts liegt in den Termingeschäften. Sie bestimmen die Preise über mehrere Jahre. Doch sie sind reine Spekulationen.

Eine Reform des Strommarktes muß alle Komponenten enthalten: neue Bezugsbasis, Korrektur der Terminmärkte und Zurückforderung der zuviel bezahlten Beträge. Es muss dieser kordische Knoten mit einem sehr scharfen Schwert an der richtigen Stelle aufgetrennt werden. Ein Vorschlag: Die Bezugnahme auf die Kosten der Stromerzeugung wird rückwirkend zum 1.3.2022 von Gas- auf Kohleverstromung verändert. Dann haben alle Nicht-Gasverfeurer um die Differenz zu viel erhalten und müssen diese zurück zahlen. Für die Gaskraftwerke kann eine Übergangslösung bis 31.10.2022 gelten: Sie müssen nichts zurückzahlen. Doch ab 1.11. gilt für sie auch der neue Preis mit der Folge, daß sie riesige Verluste einfahren, sollten sie fortfahren.

Es wird ab 1.11. also wirtschaftlich völlig uninteressant, Gas zur Verstromung einzusetzen, es sei denn es handelt sich um ein Gaskraftwerk zur Eigenstromversorgung. Hier hängt die Entscheidung von der Verfügbarkeit von Alternativen ab. Um die Stromlücke der Gaskraftwerke zu schließen, bleiben die Atomkraftwerke über den 1.1.23 hinaus in Betrieb. Sie eignen sich sowieso nicht zur Vorhaltung einer Reserve. Gaskraftwerke aber haben diese Eigenschaft der schnellen Inbetriebnahme z. B. wenn zu wenig Wind vorkommt. Diese Reserve wird subventioniert wie es bereits bei Irsching 2 gelaufen war.

Selbst wenn der Staat abschöpft, was zu viel bezahlt wurde, kommen diese Milliarden nicht mehr bei den Verbrauchern und vor allem Unternehmen an. Aber sie stehen bereit für ein Konjunkturprogramm und Überbrückungshilfen z.B. für Gasverbrauch. Die gesenkten Strompreise wirken allerdings schon per se wie ein Konjunkturprogramm – ohne bürokratischen Verteilungsaufwand. Sofort hätten wir die deutsche Wirtschaft von der angekündigten Rezession bewahrt. Denn viele Auftragsbücher sind übervoll. Ihre Abarbeitung mit normalen Stromkosten treibt die Wirtschaft an.

Die Terminmärkte bedürfen einer sofortigen Freigabe d.h. die bereits geschlossenen Verträge sind aufgehoben und neu zu schließen, und zwar in einer Frist von drei Monaten. In der Regel reagieren die Märkte in wenigen Stunden. Die Umsetzung in neue Stromverträge muss aber bewältigt werden. Evtl. hilft da aber eine Express-Änderungslösung. Es gibt keinen Anspruch auf Erhalt von Spekulationsgewinnen. Die Märkte müssen sich freilich neu definieren können.
Ein weiterer Reformpunkt beinhaltet die Selbsterzeugung von Strom bei den Unternehmen. So dürfen die Betriebe nicht mehr länger gezwungen sein, ihren Strom zum Schleuderpreis ins Netz zu geben und den Eigenstrom dann teuer vom Netzbetreiber einzukaufen. Wer selbst Strom erzeugt, z.B. durch Photovoltaik, muß diesen Strom zum Eigengebrauch direkt nutzen können. Es wundert, dass es solche Irrsinnigkeiten noch gibt. Womöglich finden sich noch weitere Rigiditäten, die dann auch „dynamisiert“ werden können.

Wer von Strompreisdeckelung spricht, könnte vielleicht Ähnliches meinen. Doch sicherlich haben diese Ideen nur den ersten Strommarkt im Sinn und nicht den Terminmarkt. Dann springen sie viel zu kurz. Es ist schon schade, dass es am Strommarkt keine echte Preisbestimmung nach Angebot und Nachfrage gibt, also die billigste Herstellung vom Markt präferiert würde. Wenn die freie (soziale) Marktwirtschaft nicht greift, ergibt sich immer ein ökonomischer Schaden. Doch nun haben wir einen Scherbenhaufen. Die Reform ist überfällig und sofort zu vollziehen. ek