Der Gasnotstand

Juli 11, 2022

Ab 11. Juli, also heute, fließt kein Gas mehr über Nordstream 1 von Russland nach Deutschland. Es sind übliche Wartungsarbeiten, die zwei Wochen in Anspruch nehmen. Doch die Politik und Wirtschaftsspitzen rechnen damit, daß sie sich länger hinziehen, ja womöglich überhaupt kein Gas über diese Pipeline mehr kommt. Dahinter steht aber die Politik Putins, Gas als Waffe einzusetzen und nun die deutsche Wirtschaft massiv zu schädigen. Die Rede Putins letzte Woche vor der Duma läßt dies klar erkennen: Sie war eine Kriegserklärung an den Westen.

Auch die Pipeline durch die Ukraine ist seit Mai stillgelegt, einerseits weil der Krieg eine zu große Gefahr bedeutet, aber auch weil die Ukraine für die Durchleitung kein Geld mehr bekommen soll. Krieg ist eben Krieg, also Stillstand und Zerstörung. Doch Putin weiß, daß das Ende von Nordstream 1 eine völlige Abwendung Europas von russischen Gaslieferungen bedeutet, zumindest so lange Putin herrscht. Die Nöte aus dem Gasstopp sind für Deutschland gewaltig.

So schwor IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Manfred Gößl letzten Dienstag die Vollversammlung darauf ein, daß mit dem Gasstopp durch Putin zu rechnen ist. Die Konsequenzen reichen von Stilllegung von Großbetrieben mit entsprechenden Auswirkungen auf die Lieferanten, die Lieferketten bis hin zum Regal des Supermarkts. Die Beschränkung der Gas-Lieferungen an Haushalte steht am Ende der Maßnahmen, wenn auch große Wohnunternehmen die Nachttemperatur auf 17 Grad beschränken werden. Die LNG-Terminals müssen nun schon zur Heizperiode in Betrieb gehen. Das müsste klappen, auch die Lieferung von Flüssiggas aus den USA, Norwegen und anderen Quellen. Es ist logisch, die Stromgewinnung aus Gas sofort einzustellen. Als Ersatz sollen stillgelegte Kohlekraftwerke wieder ans Netz gehen. Ein Gau für den Klimaschutz. Es wird aus den Nachbarländern Strom eingeführt werden müssen. In erster Linie stammt er aus Atomkraftwerken, die nun als grüne, also klimaunschädliche Technologie gelten. Es ist absurd, die drei letzten deutschen Atomkraftwerke abzuschalten und den Betrieb nicht um ein bis zwei Jahre zu verlängern.

Ebenso taub verhält sich die Ampel-Politik gegen den Einbau von Gas-Savern in privaten Heizungen. Mit 349,- € zuzüglich Einbau ist der Aufwand überschaubar. Der Gas-Saver senkt den Verbrauch um 10 %, bei älteren Anlagen um bis zu 15 %. Er amortisiert sich in einer Heizperiode. Denn eines ist klar: der Gaspreis wird sich vervielfachen, einerseits durch die echte Knappheit, andererseits durch die Spekulation. Uniper muß jetzt schon unter Staatsfittiche gestellt werden: die bereits bis jetzt zurückgegangenen russischen Gaslieferungen müssen durch sehr teure neue Quellen ersetzt werden, während die Verträge mit den Stadtwerken und Großunternehmen zu erfüllen sind. Die Preisdifferenz geht schnell in die Milliarden.

Der Gashändler Uniper warnt aber bereits jetzt vor sehr hohen Preissteigerungen für die Haushalte und Unternehmen. Dies nimmt den Gasstopp schon vorweg. Andererseits veranlassen hohe Preise Sparmaßnahmen im Verbrauch. Die Kräfte des Marktes wirken stärker als Rationierungen. So stellen viele Unternehmen ihre Technik von Gas auf Strom oder Öl um. Denn der Gas-Saver eignet sich nicht für Großanlagen. Einziger Vorteil der derzeitigen Lage: Die Heizperiode läuft erst im Oktober an. Wenigstens füllte das Russengas die Speicher noch um mehr als die Hälfte. Mit diesem Bestand verantwortungsvoll umzugehen, wird zur Staatskunst. Eine Rezession der deutschen Wirtschaft ist unausweichlich. Die Kurzarbeit wird also noch länger fortgeführt. Oder wäre es nicht angebracht, stillgelegte Betriebe würden ihre Belegschaft an noch aktive Unternehmen leihen? ek