Der Aufmarsch der russischen Truppen an der ukrainischen Grenze ist nicht nur ein Säbelrasseln, es erinnert an den Kalten Krieg, dem Denken in West und Ost, dem ständigen Wettrüsten. Auf diese Rückwärtsorientierung setzte Putin. Doch was brächte es ihm und Russland letztendlich, wenn er die Ukraine besetzte? Es wäre wirtschaftlich unvernünftig. Denn das Land kann nicht so viel liefern, als die Besetzung kostete. Auch der Imageverlust im Westen ist einzupreisen. Die russische Politik zielt darauf ab, die Länder in ihrem Einflussbereich arm zu halten. Dann fühlt sich Russlands Bevölkerung privilegiert. Doch ist das noch zeitgemäß?
Sanktionen schmerzen ungemein bei denen, die nicht liefern dürfen. Aber bei den ehemaligen Empfängern gehen die Lichter aus. Es entsteht ein echter Verlust an Lebensqualität, Wirtschaftlichkeit der Betriebe, ja fast Kriegsentbehrungen. Auf Dauer isolieren sie ein Land. Die Herrschenden müssen um ihre Position fürchten. Allerdings müssen solche Sanktionen auch durchgesetzt werden. Den Deutschen ist dies zuzutrauen. Als Olaf Scholz dann doch endlich in Moskau das Aus von Nordstream II in den Mund nahm, ruderte Putin zurück. Allerdings wäre es falsch, wenn der Westen nun annimmt, dass keine intensiven Verhandlungen mit Putin mehr folgen müßten. Es ist schlichtweg dumm, festzustellen, dass keine Truppenabzüge zu sehen seien. Ohne ernste Gespräche werden sie nicht zurück genommen.
Scholz und Putin verbindet mehr als sie trennt. Die gegenseitigen wirtschaftlichen Abhängigkeiten sind sehr groß. Die Stromversorgung Deutschlands kann nur mit dem zusätzlichen Gas aus Nordstream II aufrecht erhalten werden – Atomkraft und Kohle sollen vom Netz gehen. Die EU wollte Deutschland schmeicheln, indem Gas (aus Russland) als grün bezeichnet wurde. Aber da taten sich die Grünen dann doch schwer damit. Auf der anderen Seite finanziert Deutschland (mit Europa) den russischen Staat, also auch den Truppenluxus der Russen. Würde Deutschland den Gas- und Ölhahn zu Russland abdrehen, würde Russland in wenigen Jahren als Macht implodieren. Das sehen die Amerikaner ganz deutlich und waren gegen Nordstream II. Es müsste aber auch Nordstream I abgestellt werden – was Polen und die Ukraine wichtige Transfereinnahmen nähme. Allerdings könnte der Westen diese leicht weiter bezahlen, auch ohne Gasdurchleitung.
Doch den eigentlichen Punkt bringt der CO2-Ausstoß aus fossilen Brennstoffen und die damit verbotene Förderung von Gas und Öl. Damit bricht das russische Geschäftsmodell zusammen, auch wenn gerade die Preise für Gas und Öl durch die Decke gehen. Wir können uns keine weitere Verbrennung fossiler Energieträger mehr leisten. Es ist fünf nach zwölf. So wäre es weise, wenn Russland den Schulterschluss zu Europa aufnähme. Ähnlich der Entwicklung der DDR, Polens, Tschechiens, der Slowakeis, Ungarn und der baltischen Staaten durch den Westen, der EU, wäre nun der Rest der Sowjetunion dran, also auch Russland selbst. Putin hat schon so viele Milliarden sich eingesteckt, dass er mit freiem Geleit und juristischer Absicherung getrost abdanken könnte. Das kostete dem Westen nichts.
Mit Panzern 2022 noch Krieg führen? Das ist doch mega out bei Cyberwar, Drohnen und Satelliten. Ebenso absurd war es schon, dass Deutschland seine Verteidigungsausgaben anheben sollte. Völlig neue Machtmittel sind entstanden. Russland war stolz, den amerikanischen Wahlkampf Clinton-Trump beeinflusst zu haben. Aber bei Biden war das schon nicht mehr möglich. Russland schreit nach wirtschaftlicher Entwicklung, ja Marktwirtschaft. Warum nutzen wir nicht die nötigen Verhandlungen über die Sicherheit Russlands, ein marktwirtschaftliches Angebot zu unterbreiten?
Unter diesen Hintergründen muss der Besuch Scholz bei Putin gesehen werden. Ein großer Durchbruch nach so viel Säbelrasseln und Ignoranz auf beiden Seiten. Wir freuen uns natürlich, dass Scholz so eine große Nummer bekam, ja Weltpolitik schrieb. Die Börsenkurse der ganzen Welt stiegen dank Scholz. Doch beide Seiten wussten, dass ein Krieg beiden sehr schadete. Doch Wir sollten diese Einsichten nutzen, die Entspannungspolitik wieder aufleben zu lassen. Russland ist Teil Europas. Panzer, Gas und Öl gehören gestrichen. Das ist die politische Herausforderung der Zukunft. ek