Im Angaloppieren

November 22, 2021

Die Geldpolitik der EZB kritisiert auch der Sachverständigenrat in seinem neuesten Gutachten. Sprecher Prof. Feld drückt sich im persönlichen Gespräch noch deutlicher aus: Die Inflation wird stärker werden und viel länger anhalten als die EZB vermutet. Einerseits ist die Weltwirtschaft aus dem Tritt gekommen, was uns mindestens das ganze nächste Jahr noch Lieferschwierigkeiten bereiten wird. Andererseits würde diese Dauer dazu führen, dass die Inflation bei den Löhnen eingepreist wird und so die Lohn-Preis-Spirale in Bewegung gerät. Negativzinsen auf Einlagen seien nicht mehr das Gebot der Stunde. Der Anleihenkauf, also die Geldmengenvermehrung, führt per se zu Inflation. In der Vergangenheit stiegen die Aktienkurse und Immobilienpreise. Der weltweit funktionierende Wettbewerb verhinderte Preissteigerungen bei den normalen Gütern des Lebens, woraus die Inflationsrate errechnet wird.

Auch die Chefvolkswirte von Vermögensverwaltern wie Metzler Private Banking schließen sich dieser Einschätzung an: Die Notenbank betreibe Krisenmanagement mit der Geldpresse. Die Rechnung dafür folge. Auch der starke Anstieg des Mindestlohns in 2022, dem Herzenswunsch des angehenden Kanzlers Olaf Scholz, führe zu Preissteigerungen. Der Arbeitsmarkt ist zu angespannt. Ausgaben des Staates für untaugliche Mittel z.B. in der Klimapolitik wirken preistreibend. Nur das Schwächeln der Wirtschaft aus den Lieferproblemen rechtfertigt Mehrausgaben des Staates. Die Gefahr einer Stagflation, also Inflation ohne Wirtschaftswachstum, steigt. Ohne echte Innovationen kommt also auch die Wirtschaft nicht voran.

Wie die Zahlen ins Galoppieren kommen, erleben wir gerade in der vierten Welle der Corona-Pandemie. Es stecken sich zu viele Geimpfte an, auch wenn ihr Krankheitsverlauf zu keiner Einweisung in die Krankenhäuser führt. Doch sie infizieren die Nichtgeimpften. Mit einer Quote von über 30 % sind sie so viele, dass das Gesundheitswesen an seine Grenzen stößt. Es ist gut, dass das Krisenmanagement an der Hospitalisierung, also die Zahl der in Krankenhäuser eingelieferten Covid-19-Patienten, festhält. Auch die Kontrolle der 2G-Regel geht in die plausible Richtung. Das 2G-plus würgt wieder die Wirtschaft ab. Doch damit wird auch offiziell zugegeben, dass Geimpfte ansteckend sein können. Vielleicht verschwindet damit die Sorglosigkeit der Geimpften. Sie dachten, ihnen kann nichts mehr passieren. Viele legten den Mundschutz ab und hielten bei Veranstaltungen keinen Abstand mehr ein.

Diese Grundfesten der Pandemie-Bekämpfung gehören schnell wieder eingeführt. Es muss auch nicht nur der Staat sie kontrollieren. Jeder Bürger sollte den Schutz anmahnen. Flugzeuge dürfen nicht mehr bis auf den letzten Sitzplatz aufgefüllt werden. Die Lufthansa soll ihr maskenstörendes Verteilen von Wasserflaschen und Schokolade einstellen. Das Rad gehört zurück gedreht an den Beginn von Lockerungen.

Der Politik muss angelastet werden, dass die mangelhafte Impfquote die vorgenommenen Lockerungen nicht rechtfertigte. Nun kommt auch noch das Versäumnis heraus, die 3. Impfung nicht früher angefangen zu haben. Das schnelle Aufholen ist nötig, aber wird sich erst mittelfristig in den Zahlen niederschlagen. Auch der Wissenschaft muss vorgeworfen werden, dass sie erst jetzt Studien bringt, wie lange der Impfschutz anhält. Es sind die Schweden und nicht die Deutschen, die sie vorlegen. Die Ergebnisse sind höchst erschreckend: Bei Biontech hält die 2. Impfung nur wenige Monate. Nach 6 Monaten liegt der Impfschutz nur noch bei 45 %. AstraZeneca hat da schon keinen mehr. Das Boostern muss also spätestens nach 4 Monaten bei allen Gefährdeten einsetzen!!

Allerdings wissen wir aus den ersten Veröffentlichungen nicht, ob bei den mangelhaft Geschützten auch der schwerere Verlauf eintritt bzw. ob hier die Quote viel niedriger ist als bei Ungeimpften. Die Österreicher bekennen sich endlich zur Impfpflicht. Warum damit bis zum 1. Februar gewartet wird, ist völlig unverständlich. Schließlich wird jeden Tag an Covid-19 gestorben. Die zwei Millionen ungeimpfter Österreicher könnten doch noch im Dezember die zweite Spritze bekommen. ek