Der Corona-Turbo

Mai 17, 2021

Das Mainzer Unternehmen BionTech dient den deutschen und auch europäischen Politikern als Beispiel, dass Deutschland/Europa in der Pharmaindustrie noch lange nicht abgehängt ist. Mit dem mRNA-Impfstoff wurde ein völlig neuer Weg der Immunisierung beschritten. In den USA schaffte es fast zeitgleich nur Moderna, technologisch und in der Geschwindigkeit der Einführung mit den Tests mitzuhalten. Aus unserer neuen Sicht: immerhin. Dass BionTech den superstarken Viagra-Konzern Pfizer zum Verbündeten wählte, kann schon fast als Schicksalsfügung gesehen werden. Pfizer hatte die Kapazitäten der Herstellung des mRNA-Impfstoffs und die Marktmacht, vor allem in den USA.

Letzte Woche veröffentlichte BionTech seine Bilanz 2020 und des Vierteljahres 1/2021. Da verschlug es allen auch ökonomisch die Sprache: Das Unternehmen erreichte in den ersten drei Monaten dieses Jahres über 2 Mrd. € Umsatz und noch fantastischer: 1 Milliarde Gewinn. Für das Gesamtjahr 2021 werden 12 Mrd. € Umsatz angepeilt. Womöglich kommen dann 6 Mrd. Gewinn heraus? Auch wenn es nur vier würden, wäre das schon sensationell. Das stellt alle IT-Unternehmen der USA in den Schatten. Auch Pfizer berichtet von 3 Mrd. Dollar Umsatz mit dem mRNA-Impfstoff. Die 1,5 Mrd. Dollar Gewinn fielen unter den Tisch. Denn Pfizer wuchs insgesamt bereits um 11 Mrd. Dollar, dank anderer Engagements. Für US-Konzerne ist das nicht ganz so überraschend, wird cool gespielt.

Die knapp 500 Millionen Dosen Impfstoff, die bisher von BionTech verkauft wurden, mussten komplett neu aus dem Boden gestampft werden. Eine große unternehmerische Leistung. Auch hier kann vom Glück des Tüchtigen gesprochen werden. Dieser Impfstoff benötigt in der Herstellung ein Know-how,das wie ein eigenes Patent gesehen werden muss. Ohne dies würde die Freigabe des Grundpatents nur ins qualitative Chaos führen. Vielmehr ist es besser, auf die unternehmerische Kraft von BionTech-Pfizer zu setzen. Eine Milliarde € sind sicherlich viel Geld – und werden auch Neider hervorrufen – doch wenn wir sehen, wie viele Milliarden Gesundheitsminister Jens Spahn schon vernichtete – ohne Wirkung auf das Corona-Geschehen –, dann sei diese Milliarde auch mal als Anerkennung für die unternehmerische Leistung zu akzeptieren.

Allerdings fällt ein Schatten auf den Unternehmensgründer Ugur Sahin. Er stellte den ersten Preis des Impfstoffs an die EU als kostengerecht dar: rund 25 €/Dose. Die EU kaufte sie ihm dann doch nur für 5€ ab. Auch die reichten für einen ordentlichen Gewinn. Natürlich regte sich Unmut in Europa über das Einkaufsmanagement der EU, dass dann einfach weniger Dosen verimpft werden konnten als in Israel und den USA. Aber so dumm war dann Brüssel doch nicht. Andere bezahlten ein Vielfaches – woher dann auch der Sensationsgewinn von BionTech und Pfizer wirklich herrührt. Insofern werden bei 12 Mrd. Umsatz dann keine 6 Mrd. Gewinn zu erwarten sein. Und wenn wirklich Impfstoff in die dritte Welt sehr günstig abgegeben wird, dann werden wir in der Endbilanz von BionTech womöglich doch nur 3 Mrd. € Jahresgewinn für 2021 finden.

Die Aktionäre stürzen sich also auf die BionTech-Aktie. Hauptgewinner sind freilich neben dem Gründerehepaar die Gebrüder Dr. Thomas und Dr. Andreas Strügmann. Sie halten rund die Hälfte der Unternehmensanteile. Ihnen bescherte der Verkauf von Hexal einst 6 Mrd. €. Neben einigen wenig lukrativen Engagements brachte eine Immunsuppression vorletztes Jahr 800 Mio. € ein. Mit BionTech aber gelang ihnen ein noch größerer Wurf als mit Generikas. Und die Anteile werden von Tag zu Tag teurer. Aber ohne das finanzielle Risiko der Strügmanns wäre das BionTech-Wunder unmöglich gewesen.

Es kann aber auch anders laufen. Bei CureVac bestanden bessere Voraussetzungen, schnell zur Zulassung zu kommen. Doch dann wurde alles „versandelt“. Wenn dieser mRNA-Impfstoff kommt, sind keine großen Gewinne mehr einzufahren. Hat die Bundesregierung mit ihren 200-Millionen-Anteil auf ein lahmes Pferd gesetzt? Es bleibt nur zu hoffen, dass der Steuerzahler seine 200 Millionen € irgendwie – Beispiel Commerzbank – doch zurückbekommt. Es gibt ja noch so viel sonst zu leisten mit den mRNAs. ek