Der Montagsprotest

Mai 03, 2021

Wolnzach wäre nicht Wolnzach, wenn sich ein Bürgerprotest gegen die Covid-19-Beschränkungen der Politik und Behörden nicht auf besondere Art zeigen würde: jeden Montag ab 18 Uhr sammeln sich Wolnzacher vor dem Rathaus, gegen 19 Uhr brechen sie zu einem Marsch in die Preysingstraße auf, kehren gegen halb acht an das Rathaus zurück und harren dort so lange aus, wie sie gerade Lust haben – auch eine Wetterfrage. Zu all diesen Aktionen zieht die Polizei auf. Stillschweigend in deutlichem Abstand, aber mit beachtlicher Stärke. Letzten Montag waren es vier Fahrzeuge mit 10 Polizisten.

Die Polizei erinnert an die Demos in den Städten, meist organisiert von der Querdenker-Bewegung und von einem Gemisch aus Neonazis und Reichsbürgern verstärkt. Inzwischen beobachtet der Verfassungsschutz diese Kreise. Aber in Wolnzach finden wir sehr biedere Bürger, allen bekannt. Der Mut zum sichtbaren Protest ist anzuerkennen. Sie zeigen Demokratie, Selbstbewusstsein der Bürger, das Grundrecht der Demonstration. Keine Partei steht dahinter. Ein bunt zusammengewürfelter Haufen. Sie erinnern an die Montagsdemonstrationen, die die DDR zum Einstürzen brachte. Allerdings fehlt in Wolnzach die kirchliche Begleitung, auch wenn die Pfarrkirche gegenüber dem Rathaus steht, der Protest also zwischen diesen beiden Gebäuden gezeigt wird.

Das Deeskalierende tritt bei der zweiten Rathaus-Stehrunde ein: eine Trompetenbegleitung, etwas laienhaft, aber treuherzig gespielt, eine Art Blues, aber nicht zu verwechseln mit dem Musikgenre Blues. Spätestens da müssten die Polizisten einsehen, dass sie eigentlich völlig unnötig sind. Darauf angesprochen, erwidert ihr Sprecher: „Aber sie tragen keine Masken.“ In der Tat stehen alle Polizisten mit Masken vor Demonstranten ohne Masken. Hier beginnt nämlich der Verstoß. Aber er wird nicht geahndet. Das würde den Protest erst richtig aufladen, womöglich sie doch den Querdenkern in die Arme treiben.

Wer sich mit den Protestierenden unterhält, entdeckt natürlich Verschwörungstheorien, aber auch Sachkenntnis, die überrascht. Keiner von den Protestierenden kommt ohne eigenes Weltbild. Diskussionen wären nötig. Sie finden aber nicht statt. Das-keine-Maske-Tragen ist medizinisch/virologisch ein Fehler. Aber das Anstecken nehmen die Protestierenden in Kauf. Das Virus kämpft also gegen Demokratie-Bewusstsein. Es wird sich nicht darum scheren. Vielmehr wird der Zufall herbeigerufen. Russisches Roulette mit dem Virus gespielt. Das ist angreifbar.

Kommt der Protest also womöglich nicht aus Einschränkungen der Grundrechte, sondern von einem Anders-Denken? Also dass Impfungen gefährlich seien oder dass vieles unter dem Tisch gehalten werde, was bei einer Veröffentlichung zu einem anderen Handeln der breiten Mehrheit führen würde? Eine Frau zitiert, dass eine junge Mutter drei Tage nach der Impfung starb. Sie kannte sie und die zwei kleinen Kinder. Wird erlebtes Schicksal Grundlage der Demonstration? Dann kommt eine andere Frau auf mich zu: Sie will vom Foto genommen werden, nicht als Demonstrantin bekannt werden. Das schürt Vermutungen, dass wir in einem Spitzel-Staat leben. Vielleicht sollten die Polizisten nur zeigen, dass dies nicht so ist? Welch hoher Aufwand für solch eine Verschwörungstheorie einer Einzelnen? Alles nur Zufall. Vielleicht sollten doch Sachkundige die Diskussion suchen? Die Bürger von Wolnzach wollen womöglich nur ihre Ängste, ihr Unwohlsein mit den Verhältnissen zeigen. Von einem Umsturz sind sie weit entfernt. ek