Katastrophale Impfpraxis

März 08, 2021

Die EU und die Bundesregierung sind stark unter Kritik gekommen, weil Großbritannien, die USA und Israel uns in der Impfgeschwindigkeit davonlaufen. So verkündete Biden, alle impfwilligen US-Bürger bis Ende Mai immunisiert zu haben. In Israel sind die Hälfte der Einwohner schon tatsächlich geimpft. Dort beginnt bereits ein normales Leben. Die Briten verspotten die Deutschen auch, dass sie den AstraZeneca-Impfstoff liegen lassen. Das ist aber nur die Spitze des Eisbergs. Unser Impfwesen lässt sich mit dem Bau des Berliner Flughafens vergleichen.

So schafft das Impfzentrum in Reisgang nur 200 Immunisierungen pro Tag. Auf der anderen Seite stehen 50 Ärzte, Assistenten, Schriftführer, Ordnungsbeamte, Registrierer etc.. Denn für jeden Geimpften müssen fünf Seiten Formulare ausgefüllt werden. Erst seit drei Wochen kann dies online vorgenommen werden. Vorher waren wir wieder ein IT-Entwicklungsland. So ein Programm wird anderswo in einer Woche geschrieben, wäre also schneller fertig zu stellen gewesen, als Impfstoff eingetroffen ist. Eine Arztpraxis aus drei Personen könnte an einem Tag 200 Grippeimpfungen verabreichen. Bei dieser Impfweise besteht Bürokratie im Eintrag ins Impfbuch und eine Verzeichnung in der Patientenakte, auch als Grundlage für die Abrechnung mit den Kassen.

Doch auch das Benachrichtigungssystem funktioniert sehr schlecht. So kam es bayernweit zu Pannen, dass Personen zur Impfung ihren Aufforderungsbrief bekamen, die noch gar nicht an der Reihe waren. Ein hartnäckiger 41-Jähriger mit Aufforderungsbrief musste so geimpft werden. In Pfaffenhofen prüft nun am Einlass ein Beamter, ob die gezeigten Briefe auch der Priorisierung entsprächen. Einige wurden wieder heimgeschickt. Ein anderes Manko: zu viele Impfberechtigte werden zur gleichen Zeit geladen. So entsteht ein Stau von Impfwilligen im Impfzentrum. Der Warteraum quillt über. An Abstandhalten ist nicht zu denken. Bis zu zwei Stunden muss auf engstem Raum gewartet werden. Die Infektionsgefahr ist sehr hoch. In Pfaffenhofen wird gerechnet, dass nächste Woche alle über 80-Jährigen durchgeimpft sind – sofern sie ins Impfzentrum gekommen sind. Andernorts reichen die Termine für die über 80-Jährigen bis in den April.

Das Alter ist freilich am leichtesten zu bestimmen. Wie aber soll eine Privilegierung aus Vorerkrankungen oder dem Allgemeinzustand erkannt werden? So etwas lässt sich im Gesetz oder in der Übersicht der STIKO (Ständige Impfkommission) leicht hineinschreiben, aber wer hat dazu die Daten oder das Wissen? In der IT-Wüste Deutschland bleiben nur die Hausärzte übrig, die binnen einer Woche diese Personen bestimmen können. Wegen des Überhangs an AstraZeneca-Impfdosen wird nun überlegt, sie in Arztpraxen zu verimpfen. Eine Privilegierung insgesamt schaffen nur die Hausärzte. Fachärzte würden einfach alle ihre Patienten impfen.

Das wäre alles nicht so dramatisch, wenn nicht noch jeden Tag schwere Verläufe der Covid-19-Infektion auftreten würden bis hin zur Behandlung auf Intensivstationen. Viele Schwerstgefährdete bekommen keinen Brief. Wenn sie sich infizieren, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass sie sterben. Sie
gehören der Bürokratie entzogen. Warum dürfen die Hausärzte nicht sofort impfen? ek