Nordstream II, die noch nicht ganz fertiggestellte Gaspipeline von Sibirien nach Deutschland, belastet die internationalen Beziehungen der Bundesrepublik zu Polen, der Ukraine, skandinavischen Staaten und vor allem den USA. Eine Lösung des Konflikts würde Ausgleichsvorteile für die Ukraine befördern. Und damit treffen wir ganz konkret auch in Wolnzach auf Interesse. Schließlich unterstützen wir die Bürger von Lemberg alljährlich durch große Sachspenden. Diese Bedürftigkeit könnte sich ändern, wenn die Ukraine in die EU aufgenommen wird. Diese Kröte müsste Putin schlucken als Preis für die Tolerierung und Fertigstellung von Nordstream II?
Letzte Woche organisierte der Wirtschaftsbeirat eine internationale Videokonferenz zwischen einem ehemaligen US-Botschafter in Deutschland und besten Kenner der BRD, dem Botschafter der Ukraine, einem Vertreter des Ostausschusses und der Präsidentin des Wirtschaftsbeirats, Frau Prof. Dr. Niebler. Diese Konferenz kann auf Youtube bald nachverfolgt werden. Sie fand in deutscher Sprache statt. Die Ausgangslage: Russland und Deutschland möchten Nordstream II fertig stellen und in Betrieb nehmen. Als Folge erübrigte sich der viel längere und teurere Weg, das russische Gas über Polen und die Ukraine zu leiten. Die Ukraine büsst dann jährliche Durchleitgebühren von 3 Mrd. Euro ein, einem Zehntel des Staatshaushalts. Die Amerikaner wollen keine Abhängigkeit der deutschen und europäischen Wirtschaft von russischen Gaslieferungen. Dagegen argumentieren die deutsche Politik und Wirtschaft, dass durch die Bezahlung von Gas und Öl auch Putin von Deutschland abhängig ist. Da Sanktionen gegen Russland eh nichts bewirken, aber die deutsche Wirtschaft die Hauptlast davon trägt, sollte lieber der Gasdeal als Druckmittel eingesetzt werden. Die Militärmacht Russland baut auf diese Zahlungen auf.
Der Ex-US-Botschafter sah das Problem ganz pragmatisch. Wenn schon so viel Geld investiert wurde und bei einem Stopp der deutsche Steuerzahler 5 Mrd. Euro an die europäischen Projektpartner zu zahlen hätte, wird Nordstream II bei den nun guten deutsch-amerikanischen Beziehungen doch durchgehen. Er trat aber kräftig nach: Deutschland und die EU haben die Digitalisierung verschlafen und setzen mit Gas und Pipeline auf eine alte Technologie, die keine Zukunft hat. Nordstream II wird aus wirtschaftlichen Gründen obsolet werden. Das sieht Putin aber ganz anders. Hürden seitens der USA müssten durch ein Gegenangebot von ihm überwunden werden. Da die Ukraine wirtschaftlich betroffen ist, liegt es nahe, dass sich das Angebot auf sie bezieht: die Beendigung des Kriegs in der Ukraine, die Regelung der Krim-Usurption und der Anschluss der Ukraine an die EU.
Hinter Nordstream II steht aber eine ganz andere Dimension als heute von Gegnern und der Presse gesehen wird. Deutschland steigt nächstes Jahr vollständig aus der Atomkraft aus, 2038 schließt das letzte Kohlekraftwerk Deutschlands. Der Strom soll dann durch Gaskraftwerke erzeugt werden – in Irsching wird schon gebaut. Vermutlich fielen die hohen Entschädigungen des Bundes an die Stromerzeuger für den Kohleausstieg deshalb so hoch aus, dass sie im Gegenzug die Gaskraftwerke bauen und hochfahren? Hinzu kommt, dass mit E-Mobilität viel mehr Strom benötigt wird. Die Stromtrassen von den deutschen Küsten und ihren Windkraftwerken in den Süden dauern zu lange. Merkel und die Wirtschaft setzen also auf Gas. In der Folge wird wesentlich mehr aus Sibirien eingekauft, so dass auch der Weg über die Ukraine wieder benötigt wird. Denn ein Nordstream III wird es aus den gerade erlebten Erfahrungen nicht mehr geben. Dann können auch die großen Gasspeicher der Ukraine am Netz bleiben.
Doch der Ex-US-Botschafter hat nicht ganz unrecht, auch wenn die Digitalisierung sicherlich kein Ersatz für Industrie bringen kann und sie ja schon weitestgehend ausgebaut ist, also nur noch Grenzfortschritte bringt: die Zukunft der Energieversorgung liegt bei Fusionskraftwerken, die vor dem Durchbruch verschiedenster Technologien stehen. Gas ist für die Stromerzeugung viel zu teuer und stösst in der Verbrennung CO2 aus. Dieses ließe sich zwar bald eliminieren, aber Irsching I war schon zu teuer. Deutschland braucht aber günstigen Strom. Die Wirtschaft wird die Fusionsenergie durchsetzen, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Die Verhandlungen um Nordstream II sollten also schnellstmöglich abgeschlossen werden. Und die Ukraine davon profitieren. ek