Mit Biden siegen

November 09, 2020

Was durchaus logisch erschien, dass Donald Trump wegen seiner dreisten Art und seines falschen Verhaltens in der Corona-Epidemie unterliegen musste, wurde dann doch noch spannend wie ein Fußballspiel, bei dem die favorisierte Mannschaft mit einem Tor führt und diesen Vorsprung über die Runden bringen muss. So sehr hatte Trump die Welt in Atem gehalten, dass sich immer Befürchtungen behaupteten, er käme wie ein Schachtelteufel doch wieder nach oben. Vielleicht wurden die Stimmen am Ende bewusst langsam ausgezählt, dass Trump seine Niederlage begriff. Auch wenn für alle um ihn herum das Ergebnis unumstößlich feststand, sie wussten, dass er ein sehr schlechter Verlierer ist. Doch nun hat sich die Vernunft und die Rechtsstaatlichkeit, ja die Demokratie gegen ihn durchgesetzt. Die Welt hat einen Diktator weniger.

Auch wenn das Vertrauen des Westens in Joe Biden begrenzt ist, es kann in die Strukturen vor Trump zurückgekehrt werden. Ein Vertrag und ein Wort gelten wieder etwas. Die USA werden nicht die Nato aufkündigen und zurück in den Klimaschutz finden. Im Kampf gegen Covid-19 werden sich die Regeln der EU einspielen. Auch im Export muss die deutsche Industrie nicht mehr um Repressionen fürchten. Eine Allianz des Westens, der Demokratien wird in der Welt wieder das Sagen haben. Es war auch kurzsichtig, gegen China einen Wirtschaftskrieg mit Zöllen anzufachen. Genau mit dem Gegenteil wird China in stärkere Abhängigkeiten kommen und so auch politisch gebunden werden.

Für die Überwindung der Wirtschaftskrise wird Biden Mehrheiten im Senat finden. Es sind Steuererhöhungen, wie er sie im Wahlkampf noch verkündete, der falsche Weg. Der Senat wird da nicht mitziehen. Nordstream II wird boykottiert bleiben. Für das Klima gut, wenn auch teuer für den deutschen Steuerzahler. Doch Putin wird auch eingegrenzt, wenn wir auf Gas und Öl verzichten. Es kann sogar sein, dass Europa im Klimaschutz die Vorreiterrolle übernimmt und die USA beistehen. Ob das Iranabkommen wieder aktiviert werden kann? Sollte Biden eine gerechtere Nahostpolitik finden, wäre der Weg dazu noch vorstellbar. Biden wird die USA wieder friedvoller werden lassen. Die Abrüstungsvorschläge der Russen werden nun ernst genommen. Vielleicht gelingt so auch eine Verständigung über Syrien.

Biden wird aber auch bemüht sein, ein Präsident für alle Amerikaner zu sein und den tiefen Riss in der US-Gesellschaft zu mildern. Das erfordert auch einen gewissen Stolz und Egoismus, der die USA gegenüber ihren Bündnispartnern belasten wird. Das Weiße Haus wird nicht mehr twittern und Biden wird an die Mikrophone treten, wenn er wirklich Wichtiges zu verkünden hat. Wird Trump in der Versenkung verschwinden? Irgendwann wird er einsehen, dass ein Comeback aussichtslos ist. Aber sein Poltern könnte vergleichbar zur AfD weiter stören. Es liegt an den US-Medien, Trump fallen zu lassen. Überhaupt muss das Trump-Phänomen analysiert und aufgearbeitet werden. Wie kann ein Präsident an die Macht kommen, der die Rechtsstaatlichkeit mit Füssen tritt und bis zuletzt mit seinen Lügen das Amt des Präsidenten beschädigt? Die USA werden einsehen, dass diese Dekadenz der Demokratie zukünftig nicht mehr auftreten darf. Eine zweite Amtsperiode Trumps hätte die Welt vollends aus den Fugen gebracht.

Wir können uns freuen, dass es in den USA doch genügend Kräfte gibt, den Kurs zu korrigieren. Bei der Wahl Trumps spielten unlautere Kräfte herein. Inzwischen ist Fakt, dass über Social Medias Russland Trump half. Die Parallelen zur Beeinflussung der Brexit-Entscheidung der Briten bestehen. Interessant, dass diesmal diese Einflussnahme nicht zu beobachten war. Womöglich ist Putin nicht mehr überzeugt, ob Trump ihm noch von Vorteil gewesen wäre. Die Vergiftung Nawalnys hat die Position Putins geschwächt. Sie war politisch sehr unklug, ähnlich wie der Sputnik-Impfstoff gegen Covid-19. Die Corona-Krise wirbelt die politischen Systeme durcheinander. Ohne sie wäre Trump wieder gewählt worden, auch wenn Meinungsforscher sie erst auf Rang 3 der Wichtigkeit in der Wahlentscheidung darstellen. Aber haben sie sich nicht wieder bei der Wahlvorhersage geirrt? Ein wenig schon! ek