Ein gespaltener Freimarkt 2020

Oktober 19, 2020

Der Hopfenmarkt 2020 ist eröffnet. Den Absichtserklärungen des Handels müssen nun Taten folgen. Die Hopfen der Hallertau sind abgewogen, und der Umfang ist der Ernte also bekannt. Das Alpha kann nicht so genau errechnet werden, stützt sich auf Stichproben. Aber sie sind allesamt gut. Multipliziert mit den erfassten Tonnen und aufgeteilt nach Sorten, ergibt sich gerade bei Herkules eine Spitzenernte. In den Tonnen bereit enthalten sind die anderen zwei Variablen, Hektarertrag und Anbaufläche.

Auf der anderen Seite des Marktes, der Nachfrage, findet sich ein leicht zurückgegangenes Weltbrauvolumen, der weltweiten Corona-Krise zuzuschreiben, und bei den Hauptsorten leere Läger. Der Hopfen 2019 erweckte in der Menge eine Illusion der Versorgung, aber die Inhaltsstoffe fielen mager aus, gerade beim Extrakt wurde die grenzwertige Versorgung klar. Es besteht aktuell ein echter Bedarf an Alpha aus den Hochalphasorten. Deshalb steigen die Preise für Herkules am Freihopfenmarkt. Rechnen wir die Sorge um das Alpha im Klimawandel hinzu, ergibt sich eine klare Devise: So viel Alpha einzukaufen als möglich, um ein beruhigendes Polster an Lagerbeständen aufzubauen. Erst am Schluss wird dann geknausert und die Preisschraube bemüht.

Die Hallertau liefert. Durch eine Vertragsquote von 90 % einer Normalernte haben der Handel und die Weltbrauwirtschaft eine solide Kalkulationsgrundlage. Sie ist auch nötig für dieses globale Geschäft. Und es ist wirklich wichtig, dass die Hallertau liefert. Die Verlässlichkeit wurde schon in Frage gestellt nach mehreren trockenen Jahren und starken Hageleinschlägen. Doch 2020 gleicht vieles wieder aus: kein Hagel und genügend Regen ab Juli. Die Pflanzen konnten sich vom Stress der Vorjahre erholen. Das erklärt auch das gute, aber nicht sensationell hohe Alpha: Wir wissen, dass die Ereignisse nachwirken, dass eben die Wurzeln auch die Ernte bestimmen. Doch nach dieser Mehrjahresbalance, die so vernünftig und positiv für die Hallertau ausfällt, beginnen die Probleme, die es objektiv zu bewerten gilt. In den USA ist der Craftbierkonsum stärker zurückgegangen, v.a. weil die Ausschenkstätten monatelang geschlossen waren. Dadurch ergibt sich ein Angebotsüberhang bei den Craftbier-Hopfen. Sie müssen nun entsorgt werden, womöglich als Extrakt verramscht werden, soweit sie ein hohes Alpha tragen. Auf den Weltmarkt werden daraus keine großen Mengen kommen. Vielmehr werden sich die Craftbrauer außerhalb der USA über Sonderangebote freuen. Die Anbaufläche in den USA wird sicherlich nicht mehr ausgeweitet werden. Das finanzielle Debakel kann aber verkraftet werden. Die preisverwöhnten US-Pflanzer werden auch weiterhin auf ihr Land bezogen bleiben.

Die übrigen Anbaustaaten zeigen in Summe auch eine gute Ernte. Aus ihnen wird aber kein Marktdruck kommen. Sie passen in die Gesamtlage des deutschen Hopfenbaus – eigentlich Trabanten der Hallertau wie all die letzten Jahre. So müssen wir wieder auf unsere eigenen Sorten schauen. Die Flavorhops Hülls erleben gerade einen Dämpfer. Im Konkurrenzkampf gegen die Zitronenhopfen der USA erreichten sie nie nennenswerte Marktanteile, der Craftbiermarkt Europas entwickelt sich zaghaft. Als Klimahopfen sind sie noch nicht genügend in Braurezepten konventioneller Biere verankert. Das soll aber nicht bedeuten, diese so positiven neuen Sorgen aufzugeben. Der Schwung der Expansion ist freilich mal weg. Hier wird der Preisverfall auch deutlicher ausfallen. Ein schneller Verkauf von Freihopfen zu tolerierbaren Preisen ist bei ihnen anzuraten.

Das gilt auch für Aromahopfen, die aus der Gesamtnachfolge driften. Wenn bei gewissen Sorten noch Lagerbestände aus 2019 bestehen, dann werden zwar die neuen Mengen wegen ihrer Frische geschätzt, aber nur zu niedrigen Freihopfenpreisen. Andererseits ist es natürlich schade, dass die Vielfalt an Aromen vom Markt zu wenig nachgefregt wird. Für Preisdramatik von Seiten des Handels aber ist kein Platz oder zumindest besteht kein Grund. Der Markt pendelt sich auf die Nachfrage ein und der Vertragsmarkt zeigt die langfristige Ausrichtung. Die Pflanzer haben aus ihren Kontrakten in 2020 ein gutes Einkommen, können Defizite der Vorjahre ausgleichen. Vom Freimarkt kommt Zubrot, aber je länger auf höhere Preise bei Aroma- und Flavorhopfen gehofft wird, um so schlimmer die tatsächliche Position. Für Verkäufe sollten befriedigende Preise genügen. Große Ausnahme: der Herkules, der Retter der Hallertau. ek