Eine polnische Freundschaft

September 28, 2020

Mit Magical Dreams V ist eine große Bilder- und Farbenflut seit letzter Woche ins Deutsche Hopfenmuseum eingezogen. 36 Werke von 35 Künstlern! Ein Wunder, dass sie alle reinpassen. Zugleich drückt diese Zahl eine Rekordbeteiligung an dieser Wanderausstellung der Surrealisten Europas aus. Sie begann im September letzten Jahres im polnischen Ort Szczyrk, einem Skiort am Fuße der Karpaten. Dort sitzt die Galerie Bator, die eigentliche Organisatorin der Ausstellung. So verwundert es nicht, dass mehr als die Hälfte der Künstler aus Polen kommt. Der Surrealismus in seinen vielen Ausprägungen von humoristisch bis apokalyptisch ist dort auch stärker verbreitet als in Deutschland.

Aus Deutschland lieferten nur zwei Künstler: Angerer der Ältere aus Biburg, der den Kontakt zu den Bators begründete und Siegfried Zademack aus Bremen. Andere kommen aus Frankreich, wie Bruno Altmayer und Noel Rion. Sie reisten zur Vernissage
letzten Freitag auch an. Ganz Europa findet sich im Hopfenmuseum. Und das ist gut so: die EU auch als Gemeinschaft der Kultur, auch wenn sie in der Hoheit der Nationalstaaten ruht. Fünf polnische Künstler kamen neben den Galeristen Kasia und Miroslaw Bator. Der Statthalter des Generalkonsulats Polens in München, Konsul Marcin Król, wertete durch seine Präsenz den Abend auf. Sein Haus übernahm die Schirmherrschaft. Der Veranstalter würdigte die Verbundenheit der Hallertau zu Polen. Wenn die
polnischen Saisonarbeitskräfte ausfallen, bekommen die Hopfenpflanzer größte personelle Sorgen. Aber es klappte zur Ernte `20 schon wieder sehr gut, trotz bürokratische Hürden im Vorfeld. Auch die Pflege und Betreuung älterer Menschen, die nicht in ein Altersheim ziehen wollen, obliegt Polinnen. Es bestehen Organisationsstützpunkte in Pfaffenhofen und Ingolstadt, die sehr effizient und verlässlich den Einsatz managen. Darüberhinaus wurde Polen Mitglied der EU und Nato und soll partnerschaftlich an die Grundwerte der EU herangeführt werden. Solche Veranstaltungen tragen das mit, geben den politischen Beziehungen Gesichter. Tatsächlich entwickelten sich Freundschaften, nicht nur unter den Künstlern, sondern auch spontan mit den Gästen, die von den Kunstwerken tief beeindruckt waren. Die Augenhöhe stimmt.

Rund 200 kamen zur Vernissage, selbst Landrat Albert Gürtner mit Frau. Er konnte auch überblicken, dass alle Corona-Auflagen
erfüllt wurden: das Sitzen im Freien, das Einhalten der Abstände bei Anstehen um die polnischen Spezialitäten Piroggys und Bigos – gekocht von den Schiwampels, Bürgerbräu – und dem Tragen von Masken beim Gehen und Stehen. Pünktlich zum Veranstaltungsbeginn hörte es auf zu regnen. Doch die Abkühlung blieb. Jeder begriff, dass dies die letzte Vernissage in diesem Jahr war. Aber alle hatten Jacken dabei. Und die Musik von „Sauglockenläutn“ brachte Schwung und Fröhlichkeit, dass der Abend doch zum Erlebnis wurde. Viele Gäste kamen aus München und einige sogar von Erlangen.

Das hohe handwerkliche Können der Surrealisten von Magical Dreams, die besonderen Rahmen, die Bildkompositionen, die Intensität der Farben, lassen das Hopfenmuseum zu einer Pinakothek werden. Es gibt in Deutschland nur ganz wenige Ausstellungen dieser Art. Durch die enge Hängung intensiviert sich der Gesamteindruck, wobei bei der Hängung sehr wohl darauf geachtet wurde, dass zwischen den Werken eine Harmonie liegt. Die Ausstellung ist bis Ende Oktober zu den Öffnungszeiten des Museums (Di.–So. 10–17 Uhr) ohne Eintrittspreis zu besichtigen.

Dem schließt sich eine ganz andere Bilderwelt über die Wintermonate an: Comics mit handschriftlichen Tagebucheinträgen über Saisonarbeit im Hopfenbau während Corona. Das Ausbleiben der polnischen Helfer im Frühjahr mobilisierte deutsche Arbeitskräfte, die in Kurzarbeit gesetzt worden waren, darunter auch Journalisten und Akademiker. Die Berlinerin Alexandra Hamann packte ihre Erlebnisse in ein Büchlein, das auch viel Wissenswertes zum Hopfen enthält. Die Ausstellung ist nichts anderes, als 30 Seiten aus diesem Buch, auf A3 hochvergrößert. Dieses Thema kann nirgendwo besser ankommen als im Deutschen Hopfenmuseum. Eine öffentliche Vernissage wird es voraussichtlich aber dazu nicht geben – im Freien wäre es einfach zu kalt. Weiß Gott, welche Coronaauflagen und Beschränkungen für Veranstaltungen in Innenräumen Anfang November bestehen. ek