Im britischen Parlament spielt sich die ganze Dramatik des Austritts aus der EU ab. Aber es geht auch um den Machtkampf zwischen Boris Johnson und Laborchef Corbyn, der die Sachpolitik überlagert. Ein Tanz um den harten Brexit bis zur letzten Minute. Ifo-Chef Prof. Dr. Clemens Fuest veranschaulichte unlängst in einem Vortrag für die Wirtschaft das Szenario des harten Brexits: ein Schrecken und Chaos ohne Ende. Es bräche nicht nur der Luftverkehr zwischen der EU und GB zusammen, sondern auch Automobilindustrie und die Grundversorgung auf der Insel mit Medikamentn. Auch Bayern wäre hart getroffen. BMW würde in den Strudel gerissen. Die EU-Wissenschaft ohne Großbritannien wäre weltweit nicht konkurrenzfähig. Tausende von Gesetzen hingen in der Luft. Die Unsicherheit zerstörte nochmalig Wirtschaften. Dem Terrorismus wäre Tür und Tor geöffnet.
Diese Erkenntnisse bleiben auch den Briten nicht verborgen. Vielleicht herrscht immer noch auf beiden Seiten ein Grundvertrauen in die Politik, dass dieser Gau nicht eintritt. Aber es wird hart auf die Probe gestellt. Vielleicht kommt es auch nur zu einer Einigung, dass zwar der Brexit am 31.10.19 vollzogen wird, aber für die nächsten zwei Jahre alles so bleibt, als wäre Großbritannien noch in der EU, also wenn vom bisherigen Abkommen nur der Schlussartikel übrig bliebe. Sollte Johnson oder sein gerichtlich bestimmter Stellvertreter doch nach Brüssel fahren, um eine Verlängerung des Austritts zu beantragen, so rät Fuest zu einer unbegrenzten Terminisierung.
Dabei kritisiert der Ifo-Chef, dass es eigentlich absurd ist, dass sich die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen einem Fünftel der EU und der Rest-EU sich allein um die Nordirlandfrage dreht. Für Deutschlands Konjunktur steht es nicht gut. Die Automobilindustrie sei der Schlüsselfaktor der deutschen Wirtschaft. Mit der gerade herrschenden Sinnkrise über die Elektromobilität würde Deutschland insgesamt mitgerissen. Auch hier fragt Fuest nach der Vernunft der Politik. Während 1990 die CO2-Emissionen Deutschlands noch 7 % des Weltvolumens ausmachten, liegen sie heute nur noch bei 2 %. Die EU ohne Deutschland fiel von 27 % auf 7 %. Der CO2-Ausstoß sei durch Länder wie China insgesamt mächtig gestiegen. Heute hat China 29 % der CO2-Emissionen zu verantworten, mehr als die gesamte EU und die USA zusammen.
Es nütze auch nichts, wenn Deutschland aus der Kohle aussteigt ohne die dazugehörigen Zertifikate aufzulösen. Deutschland sei einfach zu klein, um am Klimawandel noch etwas bewirken zu können. Auch die Vorbildrolle sieht Fuest als wirkungslos. Ein Bolsonaro reagiere darauf nicht. Bei den klimapolitischen Maßnahmen Deutschlands komme von jedem aufgewendeten Euro nur 1 ct beim Klima an. Es bliebe nur übrig, sich dem Klimawandel anzupassen. Das käme schon teuer genug. So spricht ein kluger Kopf, ein Wirtschaftswissenschaftler, der die Wirklichkeit ohne dogmatische Brille analysiert.
Die EU hat Rahmenbedingungen für den Flottenverkehr in 2030 beschlossen: 2,6 l für Benziner, 2,2 l für Diesel pro 100 km. Das lässt sich nur mit einem Zweidrittel-Anteil an Elektrofahrzeugen erreichen. Fuest sieht in dieser Festlegung eine Planwirtschaft. Es wäre auch besser, den CO2-Ausstoß zu limitieren als eine Technik zu bestimmen. So werden von den heutige 600.000 Arbeitsplätzen Deutschlands in der Automobilindustrie 400.000 verschwinden. 200.000 werden etwas Neues schaffen z.B. die Elektromobilität. Dieser tiefe Strukturwandel belaste die deutsche Konjunktur. Die Forschung müsse massiv auf neue Batterien gesetzt werden.
Generell hat sich das Wachstum des Welthandels deutlich verlangsamt: von 6,6 % auf 2,2 %. Die deutsche Industrie stehe vor vielen Abwärtsrisiken bei geringen Aufwärtschancen. Wenn zwei Quartale ein negatives Wachstum verzeichnen, wird von einer technischen Rezession gesprochen. Für 2019 rechnet Fuest mit einem Gesamtwachstum von 0,5 %, bei einer Stabilisierung schon in 2020. Das alles käme aus Erfahrungswissen, das bestimmte Szenarien durchgeht. So rechnet Fuest mit keinem Absturz der Konjunktur. ek